DIE HURTIGRUTE
Teil Vier: Bodö - Brönnöysund - Bergen

Morgens um ein Uhr erreichte die MS "Midnatsol" den Hafen von Bodö. Natürlich nutze ich
auch diesen Stop zu einem Spaziergang durch den Ort. Immerhin hatte ich durch die peinlichen
Vorkommnisse von Leknes am Vortag nichts mehr zu Trinken kaufen können und brauchte
dringend Nachschub.

An dieser Stelle muß ich mal einen absoluten Geheimtip loswerden. Während meiner vielen
Reisen habe ich schon zu den unmöglichsten Zeiten die unmöglichsten Dinge gebraucht.
Briefmarken, Postkarten, Essen, Trinken, Pfandflaschenrückgabe, touristische Informationen,
Fahrkarten und Reservierungen für die nächste Autofähre, neue deutsche Zeitungen und am besten
 noch mitten in der Nacht am Ende der Welt. Wo bekommt man denn mitten in der Nacht Cola her??
 Klar, was immer man haben will gibt es natürlich bei der Tankstelle. Das heimliche Zentrum eines
 jeden nordischen Ortes. So war es auch in Bodö um halb drei Uhr nachts.

Am nächsten Morgen erreichten Örnes. Das Wetter war natürlich wieder traumhaft und so machte
ich es mir an Deck gemütlich und ließ auf der folgenden Etappe die weißen Berge der norwegi-
schen Küste an mir vorbeiziehen.

In Nesna konnte man vom Schiff aus ein lustiges Schauspiel bewundern. Drei über Nacht bis zum
Dach eingeschneite Autos wurden von ihren Besitzern, die mit der Hurtigrute gerade angekommen
waren, zunächst notdürftig ausgebuddelt (wobei die drei sich den Schnee durchaus gegenseitig
vor das Auto schippten) und dann per Traktor auf die Straße gezogen.

Sju söstre-Bergkette
(sieben Schwestern)

Weiter ging die Fahrt mit dem Schiff über Sandnessjöen an der Bergkette "Sieben Schwestern"
vorbei nach Brönnlysund, wo ich die Fahrt auf der Hurtigrute ein letztes Mal unterbrach.

Auch Brönnöysund präsentierte sich mir als norwegisches Schneeparadies. Während ich auf
die Abfahrt des MS "Midnatsol" wartete, um noch ein schönes Abschiedsbild zu machen, traf
ich auf Remi und Espen, zwei elfjährige Jungen aus dem Ort, die sich über einen Touristen
zu dieser Jahres Zeit ausgerechnet in Brönnöysund (das hatten wir doch schon mal in so ganz
ähnlich???) und wollten zudem ihre Englischkenntnisse mal austesten.

Es entwickelte sich ein sehr skuriles Gespräch. Zunächst erzählte Remi, daß er vor kurzem erst
von einem kleinen Ort bei Nesna hierher nach Brönnöysund in die Großstadt (!!) gezogen sei
(ca. 1000 Einwohner) und wollte nun wissen, wieviele Einwohner meine Heimatstadt denn nun
hätte. Ich glaube schon, daß er "nearly two million people" so rein von den Worten her schon
 verstanden hatte, aber mit dieser Größenordnung nichts anfangen konnte. Ganz Norwegen hat
ja nur 4,5 Millionen Einwohner.

Also malte ich die Zahl in den Schnee, worauf meine Glaubwürdigkeit doch sehr in Zweifel
gezogen wurde. Zwischenzeitlich konnte ich mich gerade noch damit retten, daß ich mich als
Fußball-Fan und Anhänger von Werder Bremen outete. Da spielte doch der Norweger Rune
Bratseth. Sowas war natürlich auch in Brönnöysund bekannt. Als ich dann aber mit der Ge-
schichte kam, daß ich den Schnee in Norwegen so lieben würde, weil es in Hamburg im Winter
in der Regel nur zwei- bis dreimal im Jahr schneit, da hielten die Zwei mich doch für total durch-
geknallt. Kein Schnee im Winter?? Nee, sowas kann es auf diesem Planeten nicht geben.

Am Hafen von Brönnöysund

Am nächsten Morgen unternahm ich einen Ausflug per Bus zum rund 14 Kilometer südlich gele-
 genen Berg Torghatten. Das besondere an diesem Berg, man kann ihn nicht nur besteigen oder
drum herumraufen, man kann auch durch den Berg hindurch gehen. Als das Meer noch höher
war, hat das Wasser im Laufe der Jahrhunderte den Berg so lange ausgehöhlt, bis ein Loch
ganz hindurch reichte.

Leider ist der Aufstieg zum Loch ziemlich beschwerlich, besonders jetzt im Winter, wo die
Schilder umgeweht und der Weg nicht markiert ist. Zudem kam der Wind noch aus ungünstiger
Richtung und blies genau in das Loch, was dort zu einem wahren Sturm führte. So wurde dies
nicht gerade die angenehmste Wanderung dieser Reise.

Vom Torghatten wanderte ich dann zurück nach Brönnöysund und genoß bei... natürlich... bestem
Sonnenwetter bei allerdings jetzt doch stärkerem Wind wieder einmal die norwegische Winterland-
 schaft. Da kann man sich einfach nicht dran sattsehen. Durch den starken Wind wurde die Über-
querung der hohen Brönnöysund-Brücke allerdings sehr unangenehm, da der schwere Rucksack
mich immer auf die Straße drücken wollte.

Zurück in Brönnöysund traf ich nochmal auf Remi und Espen vom Vortag. Die wollten unbedingt
mal sehen, wie ich Tourist mich wohl auf einem Spark (dem norwegischen Tretschlitten) machen
würde. Und schon wieder gab es eine Enttäuschung für die Zwei. Ich kippte nicht runter, fuhr
nicht in den Schnee am Rande der Straße und schaffte sogar eine ganz ordentliche Geschwindig-
 keit; für einen Anfänger jedenfalls.  

 

Die Kirche von Brönnöysund

Ach ja... da war ja noch das Bezahlen im Corner Motell in Brönnöysund. Wie schon so oft auf
dieser Reise mußte ich die Leute dort erstmal daran erinnern, daß man mich noch abkassieren
müsse, bevor ich verschwinde. Diesmal dauerte es aber fast eine Stunde. Kreditkartenaufkleber
hatte es in diesem Hotel zwar mehr als genug, aber ich war wohl der Allererste, der dort damit
auch mal bezahlen wollte. So mußte erstmal die Kartenmaschine und die dazugehörige Gebrauchs-
anweisung gesucht und eingehend studiert werden. Während all dieser Zeit durfte ich mir dann
auch noch anhören, wie toll sich doch die Leute im Ort im zweiten Weltkrieg mit den deutschen
Besatzern verstanden haben und daß die Zeit unter deutscher Regentschaft schon alleine von der
Ordnung her die beste des Ortes überhaupt war.

Ich lasse das hier mal als Meinung und Ansicht einer einzelnen Hotelbesitzerin einfach mal so
stehen. Man kann auch gar nicht oft genug erwähnen, wieviele merkwürdige Dinge einem im
Laufe einer solchen Reise passieren.

Um 17.00 Uhr begann dann der letzte Abschnitt der Reise auf der Hurtigrute. Die letzten 45 Stun-
 den bis Bergen sollte die MS "Nordstjernen" mein zu Hause sein. Hier wurde es nun wirklich ge-
mütlich. Das Schiff befand sich auf der vorletzten Rundreise, bevor es durch ein moderneres
Schiff ersetzt werden sollte. So wurden für diese Reise keine Touristentickets mehr verkauft und
an Bord waren nur Reisende wie ich, die einfach  nur von Ort zu Ort reisen wollten.

Von Brönnöysund über Rörvik nach Trondheim am nächsten Morgen waren noch zwei weitere
Deutsche und neun Norweger mit auf dem Schiff.

Övre Elvehavn,
Trondheim

Die Nacht war ziemlich stürmisch und entsprechend schaukelig. Zum Glück konnte ich nach den
Anstrengungen der vorangegangenen Urlaubstagen schnell schlafen und wachte erst im Hafen
von Trondheim morgens um 6.00 Uhr wieder auf. So entging ich der von mir so gefürchteten
Seekrankheit.

In Trondheim war dann natürlich wieder das typische Tourwetter, was den morgendlichen Spa-
ziergang durch die schöne Stadt zu einem tollen Erlebnis machte.

Nidarosdomen,
Trondheim

Während der sechseinhalb Stunden Fahrt nach Kristiansund genossen wir noch einmal die tolle
Aussicht auf die verschneiten Berge vor dem blauen Horizont, welcher sich im Wasser des
Trondheimsleia spiegelte.

In Kristiansund verließ mich dann nach 17 Tagen das Wetterglück. Tauwetter bei plus 4°C ver-
wandelten den Ort in ein riesiges Schwimmbad und bei der Abfahrt nach Molde kam dann auch
noch starker Wind auf. So wurde ich dann doch noch ziemlich seekrank und verkroch mich bis
zum Anlegen in Molde in meiner Kabine im Bett.

Ins Bett verzog ich mich dann auch die Nacht über, wenn das Schiff unterwegs war und dabei
auch das Westkapp umrundete. Natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, sowohl in Molde als auch
in Alesund (traumhaft schöne Stadt, gerade auch in der Nacht, wenn die vielen alten Häuser im
Lichte der Straßenlaternen erstrahlen) einen Rundgang durch den Ort zu machen. In Torvik ver-
zichtete ich dann auf den Landgang. Es regnete in Strömen. Fast hatte ich vergessen, was Regen
eigentlich noch war.

Am nächsten Morgen um 5.15 Uhr in Malöy hatte sich das Wetter wieder beruhigt. Leider war
die Temperatur nun doch ständig über null Grad und die Berge waren nicht mehr schneeweiß,
sondern mehr grüngrau. Dennoch hatte auch diese Landschaft seinen Reiz.

Einen Spaziergang durch Malöy und noch einen kurzen Trip durch Florö und die MS "Nord-
stjernen" befand sich auf direktem Wege nach Bergen. Drei Stunden vor Ankunft wettete noch
ein Norweger aus Bergen mit mir, daß es beim Anlegen in Bergen regnen würde. Ich setzte 50,-
NKr dagegen. Statistisch gesehen war er zwar im Vorteil (in Bergen regnen es mehr als 300 Tage
im Jahr), aber ich hatte erstens auf dieser Tour Wetterglück und zweitens war ich zuvor schon
bei drei Touren insgesamt fünf Tage in Bergen gewesen und hatte immer gutes Wetter. Und auch
diesmal stand das Glück mir zur Zeit.

So ging um kurz nach 14.00 Uhr in Bergen meine wunderschöne Reise mit der norwegischen
 Hurtigruten zu Ende. Und nun weiß ich, was in der Werbung gemeint ist, wenn die Reise als
die schönste Seereise der Welt angespriesen wird.

Bryggen, Bergen

Die Rücktour nach Hamburg trat ich am nächsten Morgen an. Mit dem Zug ging es zunächst nach
 Oslo, von dort mit dem Nachtzug nach Kopenhagen (Schweineexpress...) und nach einem Kurz-
besuch bei der kleinen Meerjungfrau dann weiter nach Hamburg.

Die große Tour durch Norwegen endete dann am Samstag, den 26. März 1994 um 18.29 Uhr am
Hamburger Hauptbahnhof.

E N D E

Teil Eins:   Anreise Hamburg - Nordkapp - Kirkenes
Teil Zwei:   Kirkenes - Hammerfest - Tromsö
Teil Drei:   Tromsö - Andenes - Lofoten

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