DIE HURTIGRUTE

Teil Zwei: Kirkenes - Hammerfest - Tromsö

Eine Woche war ich unterwegs von Hamburg bis nach Kirkenes im äußersten Osten Norwegens.
Schon auf der Tour hatte ich viel erlebt, aber das eigentliche Abenteuer sollte jetzt erst losgehen:
Der Trip auf der Hurtigrute.

Das Einschiffen am Samstagmorgen in Kirkenes war unspektakulär. Der Hurtigruten-Kai liegt circa
zwei Kilometer außerhalb des Ortes mitten in der Wildnis. Die Atmosphäre war mehr die auf einer
Ostsee-Fähre. Ähnlich groß ist die MS "Kong Harald" auch. Im Laderaum ist u.a. Platz für 50
PKW und jede Menge Ladung. Auch wenn die Hurtigrute längst ihre frühere Rolle als Haupt-
versorgungslinie für Nord-Norwegen an die Straße verloren hat, so werden auch heute noch
sehr viele Waren auf diesem Seeweg transportiert.

Im Grunde ist die Hurtigrute aber heute in erster Linie eine Touristensache geworden. Die ständig
modernisierten Schiffe gleichen immer mehr Luxuskreuzschiffen. Dabei geht natürlich der norwe-
gische Flair älterer Schiffe verloren. So gab es auf der MS "Kong Harald" auch fast nur Touristen
und die fast nur aus Deutschland.

Die Abfahrt in Kirkenes erfolgte bei traumhaften Wetter. Mit -9°C war es auch der kälteste Tag
der Reise. Im Bökfjord schob das Schiff kleinere und größere Eisschollen vor sich her, ohne
daß der Fjord wirklich gefroren war. Es knatschte aber schon bedenklich (so für einunerfahrene
Mitteleuropäer...). Rechts und Links vom Fjord blickte man auf schneeweiße Berge. Stunden-
lang konnte ich dick eingepackt an Deck sitzen und die traumhafte Umgebung an mir vorbei-
ziehen lassen

Vardö

Erste Anlaufstelle war Vadsö, wo es nur einen kurzen Stop zum Ent- und Beladen gab. Der erste
Stop mit Aussteigemöglichkeit war Vardö am frühen Nachmittag. Eine Stunde lang tobte ich mit
einer Hundertschaft deutscher Touristen durch den kleinen verschlafenen Ort. Das war schon
etwas befremdend. So versuchte ich dann auch, möglichst vom großen Pulk wegzukommen.
Immerhin war ich nicht in den äußersten Osten Norwegens gereist, um Touris zu bewundern.

Nach einer Stunde ging die Reise weiter. Eine große Horde verschiedener Seevögel begleitete
das Schiff in den Sonnenuntergang. Als ich um 19.30 Uhr dann Batsfjord erreichte, war es
schon dunkel. Und während die MS "Kong Harald" bald darauf ihre Reise fortsetzte, blieb
ich in Batsfjord zurück und schlitterte auf der vereisten Straße die paar Meter in den Ort zu
meinem Schlafplatz.

Und auch hier gab es wieder eine Überraschung. Hurthis overnatting (steht groß im Rutebok
for Norge) stellte sich als Gästezimmer in einem Privathaus heraus. Aber top gepflegt und jede
Menge netter Leute, die gar nicht glauben konnten, daß sich da tatsächlich ein Besucher aus dem
fernen Hamburg mitten im Winter nach Batsfjord verirrte. Der eine oder andere verlor glatt seine
Wette, als ich meine Reservierung tatsächlich wahrnehmen kam. Ach... und der Preis war auch
super: 195,- NKr. Im Grand Hotell hätte es über 700,- NKr gekostet. Und ob die Leute dort auch
so nett gewesen wären??

Das Touristbüro
in Batsfjord

Am nächsten Morgen machte ich erstmal einen ausgedehnten Spaziergang durch das Ort und
erkletterte den kleinen Hügel hinter dem Dorf. Eine tolle Aussicht über Batsfjord, das Umland
und den Fjord bot sich. Und natürlich schien wieder die Sonne, der Himmel war blau und bei
-5°C war auch nicht mit Schneematsch zu rechnen.

Mittags stieg ich dann in den Bus nach Berlevag. Busfahren in Nord-Norwegen im Winter kann
man schon als Abenteuer bezeichnen. Immerhin verkehrt die Linie, die beide Orte auch mit Tana
und so mit dem Rest Norwegens verbindet, verkehrt nur fünfmal die Woche verteilt auf drei Tage.

Das Spielchen geht so: Zunächst wartet man am Funkgerät auf das Okay, daß auch die Straße
frei ist und setzt sich dann ggf. hinter den Schneepflug. Dann treffen sich die drei Busse aus
Batsfjord, Tana und Berlevag an der Kreuzung bei Gednjehögda und tauschen untereinander
die Passagiere aus, weil natürlich jeder Busfahrer wieder in sein Dorf zurückfahren will und dann
geht es weiter.

Die Tour entlang der Eismeerküste ist grandios. Entweder man fährt durch meterhohe Schnee-
wälle, die immer die Straße und den Bus zu verschlucken drohen oder man genießt die endlosen
Blick auf das Nordpolarmeer. Vereinzelt erblickt man auch kleine Höfe und Häuser oder einen
der vielen Leuchttürme.

In Berlevag hatte ich dann ein kleines Problem. Sechseinhalb Stunden Zeit bis zur Abfahrt der
Hurtigrute, aber ich raste im Höchsttempo durch den Ort, um noch das letzte bißchen Licht
vor dem Sonnenuntergang für ein paar Aufnahmen zu nutzen. Danach brach dann natürlich
ein wenig Langeweile aus.

Am Kai von
Berlevag

In Berlevag lernte ich einen der großen Vorteile einer Kreditkarte kennen. Nein, Geld brauchte ich
keines. Aber es war doch kalt, sehr windig, ich war durchgeschwitzt und hatte ewig Zeit, bis mein
warmes Schiff kommen würde. Und mit der Kreditkarte ließ sich der Vorraum der Nord-Norge
Sparekassen öffnen, welcher selbstverständlich herrlich geheizt war.

Aber ich mußte nur eine halbe Stunde dort neben dem Geldautomaten verbringen. Schon vorher
hatte ich mich im örtlichen Kiosk erkundigt, wann denn der Warteraum am Hurtigruten-Kai geöff-
 net würde. Eigentlich ja erst eine Stunde vor Abfahrt. Aber nicht den Tag. Irgendjemand hatte die
ungewöhnliche Kunde vom frierenden deutschen Touristen weitererzählt und dann auch den
Warteraum geöffnet. Und nur das, man hatte dann auch eine kleine Suchaktion gestartet und
brachte mich dann ganz bequem im Auto zum Wartesaal. Und ein weiteres Mal durfte ich die
Geschichte erzählen, wie ich mich denn nun ausgerechnet im Winter nach Nord-Norwegen ver-
irren konnte.

Um 22.00 Uhr kam dann die MS "Ragnvald Jarl" (Baujahr 1956). Ein Vertreter der guten alten
Hurtigruten-Generation. Das trifft man auch kaum Touristen an, die es doch mehr auf die neuen
Schiffe zieht. Schade, daß ich nur fünf Stunden mitfuhr.

Aber die Abfahrt von Berlevag verzögerte sich noch etwas. Plötzlich zeigte jemand nach oben
in den Himmel und augenblicklich stand der ganze Betrieb am Kai still. Das Nordlicht!! Ich hatte
ja schon einiges von diesem Naturphänomen gehört und im Nordlichtplanetarium in Tromsö eine
nette Simulation gesehen. Aber an die Realität kam das alles nicht heran. Es war, als würde der
Himmel brennen. Über die ganze Breite des Himmels huschten Farbwolken in allen denkbaren
Farben über den Himmel, blitzten kurz hell auf, verschwanden, tauchen Sekunden später ganz
woanders wieder auf.  Man kann es auch nicht wirklich beschreiben, man muß es einfach selbst
gesehen und erlebt haben.

Noch völlig berauscht von den tollen Eindrücken des Nordlichtes machte ich es mir im leeren
Aufenthaltsraum des Schiffes für ein paar Stunden Schlaf gemütlich.

Um 3.15 Uhr nachts verließ ich in Kjöllefjord (Nordkynhalvöya) das Schiff. Es war mit -4°C
angenehm, zumal windstill. So machte es auch nichts, daß es keinen Warteraum gab, das Hotel
geschlossen hatte und die Nord-Norge Sparekassen keinen Vorraum. Bis ich um 8.00 Uhr von
der langsam erwachenden Stadt geweckt wurde, schlief ich auf einer Bank neben eben dieser
Sparekassen.

Galt ich deutscher Tourist in Vardö oder Batsfjord als Unikum, so erlebte ich hier noch eine
Steigerung. Schon bei meinem Besuch im Sommer 1993 in den kleinen Orten der Nordkyn-
halvöya (eine Straße zum "Festland" gibt es erst seit 1988 und selbst die ist im Winter gesperrt)
versammelten sich regelmäßig Einwohner um mein Auto und staunten über offensichtlich seltenen
 Besuch von auswärts. Aber nun im Winter?? Ein fünf Meter großer Yeti mit FC Bayern-Fahne
in der Hand würde in Hamburg nicht halb soviel Aufmerksamkeit erregen, wie Falko und sein
Rucksack hier am Ende Norwegens.

Im Hotell zu Kjöllefjord durfte ich meinen Rucksack zwischen lagern und bekam gar noch ein
Frühstück gratis. Ich mußte halt nur erzählen, warum um alles in der Welt ich ausgerechnet im
Winter und nach Nord-Norwegen und so weiter...

Über Mehamn erreichte ich am Nachmittag nach zwei fantastischen Busfahrten die Fjordküste
 entlang Gamvik. Ein wunderschönes kleines Örtchen, daß im Lichte des drohenden Sonnen-
unterganges in voller Pracht erstrahlte.

Gamvik
(Nordkynhalvöya)

Das kleine Hotel war wirklich urig. Ein kleiner Bau mit zwanzig Zimmern. Es sah aus, wie man sich
eben ein Hotel so vorstellt. Im Gästebuch hatte sich aber seit dem 27. September 1993 niemand
mehr eingetragen. Aber das störte mich nicht weiter, Hauptsache das Zimmer war gemütlich, gut
geheizt und das Bett bequem. Nach einigen etaws kürzeren Nächten hieß es jetzt endlich mal
wieder ausschlafen.

Am Folgetag erlebte ich etwas, was eigentlich im Winter Nord-Norwegens ganz normal ist, mir
aber bis dahin vorenthalten wurde: Schlechtes Wetter. Es stürmte und schneite den ganzen Vor-
mittag lang. So verzichtete ich dann auch auf den geplanten Spaziergang zum Leuchtturm von
Slettnes und machte es mir im Hotel gemütlich, bis der Bus mich nachmittags zurück nach
Mehamn brachte.

In Mehamn wurde erstmal der lokale Radiosender auf mich aufmerksam. So durfte ich dann auch
gleich dableiben und im Interview die bekannte Geschichte erzählen, warum ich ausgerechnet... und
gerade ans Ende der Welt usw... Inzwischen konnte ich diese Story so gut auf englisch, daß ich
mich nicht einmal zu schämen brauchte.

Bis zur Weiterreise mit der Hurtigrute um 1.15 Uhr nachts durfte ich im Hotell 71° Nord in Mehamn
bleiben. Für die halbe Nacht bezahlte ich auch nur den halben Preis. Hier war ich laut Gästebuch
der erste Gast im neuen Jahr.

Mitten in der Nacht verlegte ich meinen Schlafplatz vom Hotell 71° Nord auf die MS "Kong Olav".
Mit diesem Schiff der älteren Generation sollte es nun für 35 Stunden für mich weitergehen.

Morgens um 6.00 Uhr erreichten das Schiff Honningsvag. Nach einem kurzen Wach-Auf-Spazier-
gang ging die Reise entlang der norwegischen Küste weiter. Das Wetter war inzwischen wieder
so toll, wie ich es gewohnt war. Sonne, blauer Himmel, fast windstill (was für mich leicht seekran-
 ken besonders wichtig war!!) und gemütlich angenehme -5°C. An dem Panorama der schnee-
weißen Küste Norwegens konnte man sich gar nicht sattsehen.

Über Havöysund (ohne Landgang) erreichte das Schiff gegen Mittag Hammerfest und somit
für mich nach vielen Tagen wieder sowas wie echte Zivilisation. Zwar scheiterte der Versuch,
meine schwindende Urlaubskasse durch eine Transaktion am Geldautomaten aufzubessern,
aber das störte mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Hammerfest

Über Öksfjord und Skjervöy erreichte die MS "Kong Olav" um 23.45 Uhr Tromsö. Es war eine
prachtvolle Einfahrt an der Eismeerkatedrale vorbei und unter der großen Brücke hindurch die
Stadt entlang. Im Hafen auch um diese Nachtzeit (es war zudem Mittwoch) das gewohnte Bild.
Das Schiff der Hurtigrute wurde von viele Norwegern erwartet, die entweder auf Passagiere oder
aber Teile der Fracht warteten oder aber selbst mitfahren wollten. So gab es kurz nach dem Fest-
machen regelmäßig ein großes Hallo und Willkommen.

Ich nutze die anderthalb Stunden Aufenthalt zu einem kleinen Marsch durch das um diese Zeit
natürlich sehr ruhige Örtchen. Zweieinhalb Monate zuvor hatte ich an selber Stelle noch an der
großen Sylvester-Party teilgenommen, welche auch gleichzeitig den Beginn der 200-Jahr-Feier
Tromsös markierte. Das norwegische Fernsehen übertrug damals Live und auch der olympische
Fackellauf machte den Abend Station in Tromsö (vor den Spielen in Lillehammer 1994).

Und nun diese Ruhe in der Stadt.

Geld bekam ich auch in Tromsö nicht. Kein Geldautomat in der Stadt wollte irgendeine meiner
Karten haben. Und zum Fragen war natürlich auch keiner mehr da. Nun wurde es langsam eng
in der Kasse, zumal meine nächsten geplanten Stationen nicht unbedingt zu den größeren und
im Winter meistbesuchtesten Orten Norwegens gehörten.

Aber davon mehr im dritten Teil.

Teil Eins:   Anreise Hamburg - Nordkapp - Kirkenes
Teil Drei:   Tromsö - Andenes - Lofoten
Teil Vier:   Bodö - Brönnöysund - Bergen

Hauptseite


(c) 1999/2001 by Scat-Soft