"Noch 10 Kilometer". Paßte nicht zu der Kilometer-Angabe des Verpflegungsstandes, aber die Abweichungen wurden geringer. Und auf der Strecke wußte ich es ja nicht.

Neunter Verpflegungsstand. Zuvor schon der siebte. Die ungefähr acht Kilometer lange Runde maß nur 6,7. Aber egal.

Jetzt noch einmal kräftig zugeschlagen und weiter.

Die Kilometer-Angaben oben orientieren sich weiter an der Realität, die hier im Bericht an dem, woran ich beim Laufen glaubte.

"Noch neun Kilometer"

3:55 Stunden war ich schon unterwegs. Jeder restliche Kilometer im Schnitt in sieben Minuten ergab 4:58 Stunden.

Naja... es ging Richtung Ziel überwiegend bergab. Nur mag ich das auch nicht sonderlich. Vor allem gegen Ende die sehr starken Gefälle.

Zehnter Verpflegungsstand. Früher schon der dritte.

Oooohohohoo... nur noch eine halbe Flasche Coca-Cola. Jetzt aber schnell. Ich trank nur einen Becher. Den aber voll. Zwei weitere Läufer reichte es noch.

Der erste Schwung meines Tempolaufes Richtung Ziel. War doch noch etwas weit.

"Noch acht Kilometer"

Diese lange Bergab-Laufen ging ganz schon auf die Knie. Mir fehlten die regelmäßigen Wander-Passage. Da konnte man so gut regenerieren.

"Noch sieben Kilometer"

Der kam aber früh. Offenbar stimmten auch diese Standorte nicht so ganz.

Das machte aber alles nichts. Es waren irgendwie sieben Kilometer, 53 Minuten bis zur Fünf-Stunden-Marke. Einfach weiterlaufen und die Musik genießen. Die kam dem Finale ja auch immer näher.

"Noch sechs Minuten"

Nur vier Minuten für einen Kilometer, kontrolliert bergab auf Geröll bei 32°C?? Sicher doch.

2011 war ich hier zweimal entlang gelaufen, 2013 war ich hier zweimal entlang gelaufen, vor nur zwei und einer halben Stunde war hier schon entlang gelaufen und ich kannte die Strecke immer noch nicht.

Die fiese Steigung hatte ich nicht mehr im Gedächtnis.

Teils durch Tempo, teils durch sehr kurz gesetzte Kilometer hatte ich zeitlich gut Vorsprung herausgelaufen. Den würde ich hier nun eben verlieren.

"Noch fünf Kilometer"

Schild für Schild steigerte ich auch meine Nervosität. Nicht mehr lange und meine Anzahl an Marathons würde auf 300 steigen.

300 ist ja für sich genommen schon eine Leistung, die selbst mir unfaßbar erscheint. Aber mit 300 Marathons kommt man in das World MegaMarathon Rankung, also die Marathon Weltrangliste.

Mit Stand 30.06.2019 waren dort 812 Läufer aufgelistet, die diese Marke geknackt hatten. Noch wenige Kilometer und ich käme in eine Liste mit nur 812 Läufern weltweit. Ich! Auf dem Mount Everest waren mehr als zehnmal so viele Leute. Mein Leben könnte schlechter sein.

Yummie... frische Waffeln. Das klang lecker. Leider bezog es sich auf das Landgasthaus und nicht auf den um die Ecke gelegenen Verpflegungsstand.

Elfter Verpflegungsstand. Hier stand nicht mehr viel auf den Tischen. Aber es gab noch einen Rest Coca-Cola. Also alles gut.

Für meinen nächsten Start in Bad Pyrmont muß ich mir merken, daß noch etwas später die Coca-Cola leer sein wird.

Weiter ging es bergauf. An diese Steigung erinnerte ich mich noch.

"Noch vier Kilometer"

Vier Kilometer, 31 Minuten. 7:45 Min/Km. Es paßte. Auch der mp3-Soundtrack war auf fünf Stunden programmiert.

Und noch eine Steigung. Die definitiv letzte relevante auf dem Weg zum Ziel.

Da vorne war endlich Schluß mit bergauf. Wobei mir die Aussicht auf das viele Bergab auch nicht gefiel.

"Noch drei Kilometer"

Und immer weiter ging es in Richtung Bad Pyrmont.

Trotz meines Wunsches, nun endlich ins Ziel zu kommen, blieb ich diszipliniert. Auch die kleinen Anstiege wurden noch gewandert.

Ich hatte kein Interesse daran, auf den letzten Meter noch einen Hitzekollaps zu erleiden.

Diese Ecke war ich zuvor bereits dreimal gelaufen. Ein wenig konnte ich den Kurs nachvollziehen. Ein wenig...

Zwölfter und somit auch letzter Verpflegungsstand. Der war zuvor auch schon der erste und fünfte Verpflegungsstand.

Hier gab es die Coca-Cola sogar noch im Becher. Zwei Becher Coca-Cola, einen Becher Iso... und weiter.

"Noch zwei Kilometer"

Die lange Kurverei durch den Wald war vorbei. Nun ging es relativ direkt runter nach Bad Pyrmont. Auf etwas kürzerem Weg als hinaus. 

Nun hatte ich meine Fahne wieder in die Hand genommen. Das Finale konnte beginnen.

Bergab war durchaus kritisch. Jetzt bloß nicht stolpern oder ausrutschen. Der Weg hatte dafür einiges an Potential.

Wie schade. Durch die schöne Bombergallee liefen wir nicht. Also raus in die Sonne. Das machte jetzt auch nichts mehr.

(Foto: Foto-Team-Müller)

Alles was jetzt noch kam war ohnehin nur noch Freude pur.

(Foto: Foto-Team-Müller)

"Noch 1000 Meter"

Ja! Ja! Ja! Gleich geschafft.

Das war keine leichte Reise. Die letzten Marathons vor diesem Jubiläum waren recht schwere Läufer. Aber ich hatte die Hürde gemeistert und war nach Bad Pyrmont gekommen.

Dort überstand ich dann noch die 690 Höhenmeter und die grausame Hitze.

(Foto: Fritz Rietkötter)

Und jetzt waren es nur noch wenige Meter bis zum Sprung in die Weltrangliste.

(Foto: Fritz Rietkötter)

Noch 700 Meter.

Das letzte Lied war wie schon bei meinem 100. Marathon am 24. August 2013 in Reykjavík die Maxi-Version von " Love Shine a Light" (von Katrina and the Waves).

100 Marathons in 13 Jahren, vier Monaten und 8 Tagen.

Die nächsten 100 Marathons dann in 3 Jahren, 3 Monaten und 25 Tagen.

Und dann noch 100 Marathons in 2 Jahren, 7 Monaten und 9 Tagen.

Die Nummer 400 könnte dann Weihnachten 2021 gelaufen werden. :-)

(Foto: Foto-Team-Müller)

Aber jetzt feierte ich erst einmal die Nummer 300.

(Foto: Foto-Team-Müller)

Nnur noch 300 Meter.

(Foto: Foto-Team-Müller)

Bad Pyrmont war sicher nicht ganz so glanzvoll wie meine Jubiläen in Stockholm, in Helsinki, in Reykjavík, in Füssen und in Pisa. Aber von Stockholm abgesehen gab es nirgends mehr Fotografen an der Strecke.

Das Foto-Team-Müller ist echt super und macht dazu noch klasse Fotos!! Von einem der Fotografen bekam ich sogar Applaus.

(Foto: Foto-Team-Müller)

(Foto: Fritz Rietkötter)

Zurück an der Wandelhalle. Noch eine Kurve vor der Hauptallee.

(Foto: Fritz Rietkötter)

Da waren sie nun. Die letzten 250 Meter bis zum Ziel. Bis zur Nummer 300. 

Das war dem Moment, an dem alle Anspannung endgültig von mir abfiel. Völlig befreit lief ich die Hauptallee runter.

Die Fahne wirkt. Auch von den Gästen in den Restaurants an der Strecke gab es Applaus. Von den "echten" Zuschauern ohnehin.

Die letzten Meter. Auch die Moderatorin, die kurz vor dem Ziel stand, hatte längst die Fahne bemerkt.

Da zeigte ich die Fahne nur zu gerne noch einmal vor. Und ja, die hatte ich extra für diesen Marathon geschaffen.

Und ich hatte sie die 42,195 Kilometer von Bad Pyrmont dabei. Bei einem weiteren Meilenstein meiner für mich selbst immer noch unfaßbaren Lauf-Karriere.

Denn egal wie es weitergehen (weiterlaufen) wird. Tage wie dieser werden für mich für die Ewigkeit sein.