Berliner
Mauerweglauf
2017
12./13. August
2017
5. Vom Königsweg bis ins Ziel
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Königsweg 18.23 Uhr / Km 96,13 Zwei, drei Kurven noch durch Griebnitzsee, dann ging es endlos lange geradeaus den Königsweg durch einen Wald. Keine Fotos mehr. Eine sehr ungewohnte Situation. Seit Berlin 2003 hatte ich außer beim Knast-Marathon von Darmstadt immer meinen Fotoapparat dabei. Der Reflex im Arm blieb aber. Die Reparaturversuche hatten viel Zeit gekostet. Zumindest an den Verpflegungsständen Fotos mit dem Handy zu machen würde noch mehr Zeit kosten. |
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Königsweg 18.23 Uhr / Km 96,13 Der 16. Verpflegungsstand war ein Familien-Unternehmen der an der Strecke wohnenden Familie Thiel. |
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Neuruppiner Straße 18.35 Uhr / Km 97,5 Und dann fiel auch noch der letzte Rekord. 2015 hatte ich für den UltraVasan 12:35:11 Stunden benötigt. Gleich wäre ich hier länger unterwegs. Damals hatte ich in der Zeit 90,3 Kilometer geschafft und war ab Kilometer 63 nur noch gewandert (Verletzung am Schienbein). Hatte ich (real) schon 97,5 Kilometer geschafft und lief immer noch. |
Auf den sechs Kilometern
zum dritten Wechselpunkt ging mir dann doch etwas die Kraft aus und ab
Kilometer 102 wanderte ich
das letzte Stück zum Verpflegungsstand.
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Sportplatz Teltow 19.13 Uhr / Km 103,2 Der 17. Verpflegungsstand war auch drei dritte und gleichzeitig letzte Wechselpunkt. Richtig gleichmäßig waren die nicht verteilt, aber egal. |
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Sportplatz Teltow 19.13 Uhr / Km 103,2 Auch wenn ich die Fotos alle innerhalb kurzer Zeit gemacht hatte, die Pause dauerte doch etwas länger. |
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Sportplatz Teltow 19.13 Uhr / Km 103,2 Hier griff ich erstmals richtig auch beim Essen zu. |
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Sportplatz Teltow 19.14 Uhr / Km 103,2 |
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Sportplatz Teltow 19.14 Uhr / Km 103,2 Meinen dritten Wechselbeutel holte ich mir natürlich auch. Darin waren die letzten Sachen für die Nacht wie eine Zweit-Stirmlampe und Batterien. Im Gegenzug blieben meine Kamera und die Akkus dort. Hier fiel mir dann auch auf, daß ich meinen Mini-Lautsprecher offenbar in einen früheren Beutel gepackt hatte. So ein Mist aber auch. Also würde ich die letzten 31 Kilometer gar keine Musik mehr haben. |
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Sportplatz Teltow 19.14 Uhr / Km 103,2 Essen, Trinken, Toilette, die Sachen umpacken, Coca-Cola trinken, eine Zwischenmeldung an Familie und Freunde in der Ferne und nach satten 17 (!!) Pause ging es weiter. Die Cut off-Zeit hier lag bei 0.30 Uhr. Das ergab ein Zeit-Puffer von 5:16 Stunden. |
Mit reinem Laufen war es
nun vorbei. Ich verfiel nun in einen steten Wechsel aus Laufen und Wandern.
Wobei ich auf dem nun
folgenden Abschnitt fast noch einmal fünf Kilometer im Schnitt 6:40 Min/Km
zurück legte.
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Osdorfer Straße 20.16 Uhr / Km 109,7 Verpflegungsstand 18 der Polizei SV Lichtenrade. |
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Osdorfer Straße 20.16 Uhr / Km 109,7 Romy hatte sich gerade per SMS gemeldet und fragte, wann ich denn bei ihr zu Hause vorbei laufen würde. Dann könnte sie mich ein Stück mit einem Ersatzfahrrad begleiten. Klang gut. Aber wo wohnte sie? Welcher Kilometer war das? Wie schnell würde ich fortan voran kommen? |
Auf dem nächsten Abschnitt
lief es nach anfänglichen Wandern wieder besser. Ich drückte ein wenig auf
das Tempo und wollte den
nächsten Verpflegungsstand gerne noch vor 21.00 Uhr erreichen. Ab dem
Zeitpunkt mußte man verpflichtend mit Stirnlampe und
Rettungsweste laufen. Sonst gab es eine Disqualifikation. Das Umziehen hätte
ich gerne am Verpflegungsstand beim Essen erledigt.
Auf halber Strecke dann eines
der Bilder, die einen wieder demütig der Strecke gegenüber werden lassen. Ein
Läufer lag total
apathisch am Boden und schien völlig weggetreten zu. Zu seinem Glück hatte er
einen Fahrrad-Begleiter dabei, der ihn im Arm
hielt und mit ihm auf den schon verständigten Rettungsdienst wartete.
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Heinersdorf 21.03 Uhr / Km 114,5 Ich schaffte es nicht rechtzeitig zum Verpflegungsstand. Und so stoppte ich pünktlich um 21.00 Uhr meinen Lauf und zog mich um. Das dauerte einschließlich einer Pinkelpause und dieses Fotos satte vier Minuten. Rechnet man das alles mal zusammen, dann war ich beim Mauerweglauf weit mehr als eine Stunde gar nicht mit Laufen oder Gehen beschäftigt. Das spricht für die Netto-Tempo-Leistung. |
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Osdorfer Straße 21.08 Uhr / Km 115,4 Es wurde dann sehr schnell sehr dunkel. Das war schon etwas überraschend. |
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Osdorfer Straße 21.08 Uhr / Km 115,4 Verpflegungsstand 19 wurde vom Team um Andreas Roth betreut. |
Es ging es wenig durch das
dunkle Lichtenrade. Da mußte man schon genau aufpassen, wo die Markierungen
waren. Meist waren
sie an Bäumen oder Laternenpfeilern oder auf den Boden gesprüht. Man sollte
schon die Umgebung insgesamt im Blick haben.
Dann ging es in den finsteren
Wald. Zwei asiatische Läufer, auf die ich am Eingang zum Wald traf, ließen mich
voraus laufen. Ach,
die Asiaten sind ja so nett. Allerdings mich Orientierungs-Legastheniker und
Nacht-Blinden den Weg suchen zu lassen war eher nicht
so clever. Ich dachte ja, mit der einen oder anderen Gehpause die Asiaten zum
Vorlaufen "überreden" zu können, aber die hatten
sich inzwischen mit zwei (von der Sprache her) Franzosen zusammen getan und
dackelten nun zu Viert hinter mir her.
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Kirchhainer Damm 21.41 Uhr / Km 119,77 Verpflegungsstand 20. Jetzt waren es nur noch sieben weitere bis ins Ziel. Und von der Strecke her weniger als ein Marathon. 41,93 Kilometer. Zu Hause nachgemessen: |
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Kirchhainer Damm 21.42 Uhr / Km 119,77 Betreut wurde dieser Stand vom Team Ninas Eltern, bestehend aus Familie Blisse und Freunden. |
Nachfolgend wurde es mit
der Orientierung etwas einfacher. Meist ging es auf übersichtlichen Wegen
gerade aus. Zudem hatte ich
längere Zeit immer das Licht einen anderen Läufers vor mir im Blick. Rein
läuferisch war es aber nervtötend. Auf holprigem Boden
stolperte ich über Wurzeln, lief mich im Matsch fest, knickte mit dem Fuß in
Rinnen um. Andere Läufer kanten die Strecke offenbar
besser und liefen hier sogar pausenlos am Handy herum spielend durch.
Passend zu meiner genervten
Stimmung gab dann meine GPS-Uhr (Garmin Fenix 3 hr) auf. Akkuladung fast alle.
Das war bei genau
16 Stunden und 122,28 Kilometern. Von wegen 24 Stunden. Dabei hatte ich außer
GPS sämtliche andere Funktionen ausgeschaltet.
Hatte alles nichts geholfen. Bis meine Ersatzuhr (Garmin Forerunner 305) dann
endlich mal ein GPS-Signal fand, dauerte es satte
32 Minuten. Ein Wald ist der natürlich Feind der GPS-Uhr. Nebenbei war noch das
Armband gerissen und ich mußte die Uhr mühsam
mit einem Ersatz-Schnürsenken als Armgelenk binden, was nur mäßig halten wollte.
Da ich ja keinen Fotoapparat hatte dabei hatte,
konnte ich nun die Uhr und die Enden des Schnürsenkels halten. Fotos machen
konnte ich damit aber nicht.
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22.12 Uhr / Km 123 Romy fand mich tatsächlich. Zwar hatte ich mich mit ihrem Wohnort um etliche Kilometer und der Ankunftszeit um gut 36 Minuten vertan, aber dann war sie mir entgegen gefahren. Und Keanu, einen ihrer Hunde hatte sie mitgebracht. Uhm... Falko und Hunde. Immerhin war ich von dieser Rasse noch nie angegriffen worden, er schien auch kein Interesse an mir zu haben zu hört zudem auf jedes Kommando von Romy. Da fühlte sogar ich mich sicher. |
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22.12 Uhr / Km 123 Auf diesem schmalen Single-Pfad wurde es aber dennoch eng. Das Trio Romy, Keanu, Falko fand keine Reihenfolge. So lief Keanu meist hinter mir und Romy folgte uns mit dem Fahrrad. Manchmal lief Keanu aber auch vor mir oder hinter Romy. Ein wenig aufpassen, wo ich den Fuß hinsetzte, war da schon sinnvoll. Ich wollte ja weder den Hund noch mich verletzen. |
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22.14 Uhr / Km 123 Als wir etwas später aus dem Wald raus und auf einen festen und breiteren Weg kamen wurde es entspannter. Jeder hatte genug Platz zum Laufen und Radeln und Romy und ich konnten uns auch einfach unterhalten. |
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Karl-Marx-Straße 22.35 Uhr / Km 125,5 Der Läufer Falko und ein Hund. Was für ein Foto. In der rechten Hand hielt ich die Stirnlampe (die hätte vom Kopf aus das Foto gestört) und auf der linken Seite sieht man die Schnürsenkel und die Uhr. |
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Stuthirtenweg 22.39 Uhr / Km 126,2 Am 21. Verpflegungsstand gab es eine Party. Hier sorgte das Team Muddastadt GmbH für gute Stimmung. |
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Stuthirtenweg 22.39 Uhr / Km 126,2 Es roch hier nach Bratwürsten. Aber da wollte ich dann doch lieber nicht ran. |
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Stuthirtenweg 22.40 Uhr / Km 126,2 Ich war hier aber ziemlich bald wieder weg. Die Party lief wohl schon länger. Jedenfalls gab torkelten hier einige recht betrunkene Anwohner herum, die unangenehm anhänglich wurden (freundlich formuliert). |
Noch immer lief ich mehr
als daß ich wanderte. Der Tempo-Schnitt insgesamt lag nun bei rund 8:00
Min/Km. Das war immer noch
recht flott. Um 23.00 Uhr hatte ich noch 33,5 Kilometer bis ins Ziel. Wollte
ich unter 24 Stunden bleiben und die Extra-Gürtelschnalle
gewinnen, reichten 12:32 Min/Km. Um im 30-Stunden-Zeitlimit zu bleiben
reichten sogar 23:17 Min/Km. Das wäre unwesendlich
schneller als 2,6 Km/h. Klang alles machbar.
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Neudecker Weg 23.23 Uhr / Km 130,7 Nun hatte der Spaß aber ein Ende. Von hier bis ins Ziel war wieder Kopfhörer-Verbot. Die ganz große Quälerei würde nun also beginnen. Kurz vor dem Stand wurde ich mit großem Gejohle von einer Wasserbombe getroffen. Die Berliner sind ja so lustig... |
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Neudecker Weg 23.23 Uhr / Km 130,7 Der 22. Verpflegungsstand direkt am U-Bahnhof Rudow wurde vom Team Thomas Moschell betreut. |
Gleich beim Weiterlaufen
das nächste Problem. Am rechten Fuß hatte sich eine Blase gebildet. Das
bekam ich zunächst noch in
den Griff, indem ich die Socke umdrehte. Aber mir war klar, daß das wohl
keine Dauerlösung sein würde.
Ich lief nun eine Weile mit
Gawan zusammen. Nach ein wenig Gewerbegebiet, welches nach dem
Wasserbomben-Angriff von kurz
zuvor mir etwas Angst machte, ging es an den Teltowkanal. Endlos lange geradeaus
zwischen den breiten Kanal und der Autobahn
A113. Im Dunkeln. Langweiliger geht es kaum noch.
Wie befürchtet wurde es mit
der Blase nicht besser und so mußte ich einen Kilometer vor dem nächsten
Verpflegungsstand Gawan
ziehen lassen und mit dem Wandern anfangen. Nach 136 Kilometern und etwas mehr
als 18 Stunden war es vorbei mit laufen. Hätte
man mir vorher prophezeit, ich könnte bis Kilometer 136 überwiegend laufen,
hätte ich es nicht geglaubt. Jetzt von eine dämlichen
Blase ausgebremst zu werden war allerdings ärgerlich, denn ohne die hätte ich
noch weiter laufen können.
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Johannistaler Chaussee 0.17 Uhr / Km 137 Der 23. Verpflegungsstand wurde vom Team Audio e.V. Adlershof betreut. |
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Johannistaler Chaussee 0.18 Uhr / Km 137 Je später der Stand platziert war, desto länger mußte er betreut werden. Hier kam der erste Läufer am Samstag um 17.19 Uhr durch. Das war nun sieben Stunden her. Die letzte Gruppe kam dann Sonntag um 7.19 Uhr. 14 Stunden später. Ich lag also eine Minute vor der Hälfte. |
Und nun ging es in die
Hölle von Berlin. Weitere zweieinhalb Kilometer den Teltowkanal entlang und
dann ging es unter der
Autobahn A113 durch und den etwas schmaleren Britzer Verbindungskanal
entlang. Danach dann rein in die Stadt. So richtig
schön durch die Hinterhöfe und Parks von Gegenden, die ich auch im Hellen
meiden würde. Die hinter den Büschen deutlich
zu hörenden Stimmen beunruhigten mich dabei weniger als die
Personen-Gruppen, durch die ich direkt durchlaufen mußte.
Da war es wenig hilfreich, daß
sich die Blase spürbar bis unter den großen rechten Zehennagel gedrückt hatte.
Leicht neben
dem Zeh abrollend humpelte ich mit 9:50 Min/Km über den Kurs. Dazu Stirnlampe,
Rettungsweste, eine Startnummer und
Laufrucksack. Selbst mit einem Einhorn-Kostüm wäre ich nicht auffälliger
gewesen. Irre praktisch, um möglichst unsichtbar
durch diese Horror-Gegend zu kommen. Man hätte mich hier einfach wegklatschen
können. Wegrennen hätte ich nicht mehr
können und hinterm Gebüsch hätte man mich erst wer weiß wann gefunden.
Ich habe in meinem Leben schon
viel erlebt. Verlaufen, verirrt, fast in aufkommender Flut ertrunken, Angriffe
mit Messern,
Angriffe von zähnefletschenden Hunden, war erst drei Monate zuvor auf dem Weg
zur Arbeit überfallen und mit einer Waffe
bedroht worden... aber so viel Angst wie in dieser Nacht hatte ich in meinem
Leben noch nicht.
Aber Kopfhörer sind ganz furchtbar gefährlich. Und bei Rot über die Ampel
laufen auch... selbst wenn gerade weit und breit
kein Auto (und kein Kind) zu sehen ist. Mit dem Handy vor der Nase durfte man
hingehen auch in der Nacht und auch in der
Stadt laufen. So einer ist ja auch noch nicht einfach auf die Straße gelaufen,
ohne sich umzusehen. So erscheint das Kopfhörer-
Verbot eher wie blinder Aktivismus und weniger nach durchdachter Gefahrenabwehr.
Und was wohl passiert, wenn der erste Läufer ausgeraubt und/oder zusammen geschlagen im Gebüsch gefunden wird...
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Dammweg 1.17 Uhr / Km 143 Verpflegungsstand 24. Betreut vom Team BSS OstBerlin. Ich war noch nie so froh, einen Verpflegungsstand zu sehen. Nach gut einer Stunde fühlte ich mich erstmals wieder so einigermaßen sicher. Und jetzt? Ich hatte keine Lust mehr auf den Mist. Mit dem aktuellen Tempo käme ich bei 22:30 Stunden ins Ziel. Ich könnte also problemlos hier zumindest den Sonnenaufgang abwarten. Oder für eine Weile ins Hotel fahren und um 8.00 Uhr wiederkommen. |
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Dammweg 1.17 Uhr / Km 143 Andererseits hatte ich bereits 45 Minuten zuvor mit meinem Leben abgeschlossen. Da konnte ich die Suizid-Tour auch fortführen. Zum Abschied wünschte man mir noch viel Spaß mit dem Partyvolk. Was sollte denn jetzt noch kommen? |
Der Horror ging weiter.
Zunächst einmal weiter durch Hinterhöfe und Grünanlagen. Mit dem rechten Fuß
wurde es nicht besser.
Mein Tempo fiel auf um die 10:30 Min/Km und die Schmerzen wurden auch
schlimmer. Jetzt fehlte eigentlich nur noch ein Krampf
von dem ganzen Gehumpel. Vom Kopf her hatte ich nicht nur mit dem Leben,
sondern auch mit dem Lauf
abgeschlossen. Das Ziel
zu erreichen hatte nun lediglich die Bedeutung, daß die ständigen Angst- und
Panik-Attacken endlich aufhören würden.
Am S-Bahnhof Plänterwald
vorbei ging es nun in bewohntes Gebiet, welches auch nicht weniger Angst
einflößend war. Und ich lief
da ohne Musik oder Hörbuch oder sonstige Ablenkung durch. Was für eine Folter.
Dort lief ich auf ein Trio auf. Zwei Läuferinnen
und eine Begleitung. Allerdings eine ohne Startnummer. Wurden einzelne
Teilnehmer von offiziellen Sicherheits-Helfern durch die
Hölle begleitet? Ich wollte es gar nicht wissen.
Und dann kamen die Schlesische
Straße und das Partyvolk. Binnen einer Kurve raus aus der fast menschenleeren
Horror-Film-
Kulisse und rein in die Masse der Verrückten und Besoffenen. Eine Runde Kultur-Schock mit
dem Holzhammer. Hier war ich
mit meiner
Sicherheits-Verkleidung immer noch eine Witzfigur, aber ich fiel nicht mehr so auf. Die Wahrscheinlichkeit,
gleich
weggeklatscht zu werden, war zwar immer noch gleich groß, aber zumindest
nicht mehr ungesehen. Jetzt mußte ich nur
noch
unfallfrei durch all die Idioten kommen, die sich im Vollsuff gegenseitig über die Wege
schubsten.
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Mühlenstraße 2.31 Uhr / Km 148,5 Der Verpflegungsstand 25 an der East Side Gallery wunde von der Künstlerinitiative East Side Gallery betreut. |
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Mühlenstraße 2.32 Uhr / Km 148,5 148 Kilometer Mauerweglauf und erst jetzt liefen wir endlich mal an der Mauer entlang. Naja. Nicht die richtige Mauer, sondern nur ein Replik der so genannten Hinterlandmauer, aber sah durchaus so aus wie die richtige Mauer. |
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Mühlenstraße 2.32 Uhr / Km 148,5 War mir egal. Mauer ist halt Mauer. Außerdem war ich wieder ein Stück näher ans Ende des Laufes gekommen. |
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Mühlenstraße 2.32 Uhr / Km 148,5 Hunger hatte ich keinen. Aber getrunken wurde. Es waren zwar nur noch 13,2 Kilometer, aber bei meinem Tempo würde das noch eine lange Quälerei werden. |
Kaum war ich aus dem Horror-Gegenden raus
hatte ich ein halbes Dutzend Läufer und zwei Fahrräder als Begleitung. Denen
zu
folgen war nicht ganz so einfach, aber ich hatte das Glück, an Leute zu
geraten, die sich noch weniger orientieren konnten als ich.
Eine Weile kam ich immer wieder ran. Einer der Fahrrad-Begleiter hatte
einen Lautsprecher dabei. Electric Light Orchestra.
Ahh! Musik war ja nicht verboten. Nur Kopfhörer tragen...
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Zimmerstraße 3.13 Uhr / Km 152,5 Der 26. Verpflegungsstand war in Sichtweit des Checkpoint Charlie. |
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Zimmerstraße 3.13 Uhr / Km 152,5 Die Kilometerangabe (153,78)hier war definitiv falsch. 5,28 Kilometer in 41 Minuten? Bei noch 11 Min/Km. Kilometer 152,5 war wahrscheinlicher. |
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Zimmerstraße 3.13 Uhr / Km 152,5 Immerhin hatte ich inzwischen die Hoffnung zurück, diese Nacht zu überleben und ins Ziel zu kommen. |
Ich kam mit wechselnden Läufer als
Begleitung dem Regierungsviertel näher. Die Wachposten dort schauten uns an,
als wären
wir tatsächlich Einhörner. Vielleicht hielten sie uns auch für völlig
bekloppt, weil wir an der verkehrsleeren Kreuzzug ewig auf
Grün warteten. Und obwohl vor uns schon jede Menge andere Läufer hier durch
waren, fragte man uns, was wir denn da taten.
Vielleicht Schichtwechsel?
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Unter den Linden 3.31 Uhr / Km 154 Warum liefen wir eigentlich nicht am Brandenburger Tor vorbei? Die Mauer verlief eindeutig hinter dem Tor (von hier gesehen). |
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Unter den Linden 3.31 Uhr / Km 154 Ein Blick aus der Ferne war zumindest drin. Ich hatte Zeit fürs Gucken und Fotos machen. Die Ampel war gerade Rot. |
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Platz der Republik 3.39 Uhr / Km 155 Am Brandenburger Tor ging es nicht vorbei, dafür aber am Reichstagsgebäude. Mein Tempo lag nun bei 11:30 Min/Km. Allerdings inklusive der Warterei an den Ampeln. Wie weit war das Ziel? Eine Stunde noch oder etwas mehr. |
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Platz der Republik 3.39 Uhr / Km 155 |
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Kapelle-Ufer 3.45 Uhr / Km 155,5 Ohne die blöde Blase wäre ich längst im Ziel gewesen. Ohne Blase und mit Musik oder mit Romy hätte ich wohl schon längst im Bett gelegen. Aber stattdessen ich kämpfte mich weiter humpelnd durch Berlin. Immerhin nicht mehr alleine. Je näher ich dem Ziel kam, desto größer wurde die Gruppe. |
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Kieler Straße 4.02 Uhr / Km 157,1 Da war er . Der 27. und letzte Verpflegungsstand. Betreut wurde von SCC Grunewalker und SCC Rennschnecken. |
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Kieler Straße 4.02 Uhr / Km 157,1 Eigentlich hatte ich gar keinen Durst mehr, trank aber doch einen Becher Cola. |
Auf den letzten 4,6 Kilometern wurde es
noch einmal richtig schwierig. Das Tempo konnte ich so gerade noch halten,
aber an
den roten Ampeln mußte ich mich schon irgendwo gegen lehnen, sonst wäre ich
zusammen mit meinem Kreislauf umgekippt.
Ich hatte einfach keine Lust mehr. Diese verfluchten Ampeln, teilweise ging
es bergauf, Musik gab es auch keine und jeder
einzelne Schritt tat einfach nur weh. Wo war nur dieses Ziel?
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 4.47 Uhr / Km 161 Schließlich hatte ich wieder den Sportpark erreicht. Irgendwo da vorne müßte auch die Bahn sein, auf der ich am Morgen zuvor gestartet war. |
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 4.51 Uhr / Km 161,3 Stimmt. Ich hatte nicht die Absicht, 100 Meilen zu laufen. Jedenfalls nicht noch einmal. Jedenfalls nicht jetzt... |
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 4.51 Uhr / Km 161,3 Da war ich also wieder zurück. Freude kam keine auf. Es war eher Erleichterung, daß dies hier gleich vorbei sein würde. |
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 4.52 Uhr / Km 161,4 Noch 300 Meter auf der Bahn. Auch hier konnte ich mein Tempo nicht mehr ändern. Mit dem kaputten Fuß ging es nicht schneller. |
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 4.54 Uhr / Km 161,6 Und so humpelte ich über die Bahn ganz langsam dem Ziel entgegen. |
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 4.55 Uhr / Km 161,6 7:15:49 Stunden hatte ich für die letzten 42,195 Kilometer benötigt. So lange war ich noch nie auf der Marathon-Distanz unterwegs. Auch der "Rekord" war also gefallen. |
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 4.55 Uhr / Km 161,7 Und dann war es geschafft. Da bekam ich doch ein Lächeln zustande. 100,5 Meilen. 161,7 Kilometer. Geschafft. 22:55:55 Stunden. Foto: Headlight Pictures |
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 4.55 Uhr / Km 161,7 Kaum war ich über die Linie, wurde ich abgefangen. Erst wollte man meinen Zeitchip haben, dann wurde ich zum Computertisch gebeten. Eine Unregelmäßigkeit mit den Zwischenzeiten. Und ja, wie erwartet hatte ich den Maß-Punkt am Verpflegungsstand Sechs umlaufen. Und die 17 auch. Mist, Ich bekam einiges Gemecker und Belehrungen ab, aber dann trug man die fehlenden Zeiten doch ein. Disqualifikation so gerade abgewendet. |
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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark 5.00 Uhr / Km 161,7 Eine Medaille bekam ich noch nicht. Die gab es erst während der offiziellen Siegerehrung am Nachmittag im Hotel. |
Es war schon grotesk.
Innerhalb der vergangenen 23 Stunden hatte ich jeden meiner Ausdauerrekorde
pulverisiert. 22:55:55
Stunden am Stück unterwegs gewesen. 161,7 Kilometer am Stück gelaufen. 147551
Schritte alleine am Samstag zurück gelegt.
Ich hatte den Mauerweglauf nicht nur geschafft, sondern auch ganz sicher unter 24
Stunden und mir die Gürtelschnalle verdient.
Und trotzdem hatte ich noch niemals so freudlos und desinteressiert eine
Ziellinie überquert. Die traumatisierenden Stunden
in der Berliner Nacht würden mich noch lange verfolgen.
Viel Pech hatte ich auch.
Fotoapparat kaputt. Hinterreifen kaputt. Uhr-Probleme. Logistischer Fehler mit
dem Lautsprecher.
Der Rest hätte nicht sein müssen. Natürlich kann jeder Veranstalter
seine Regeln so gestalten und machen wie er möchte.
Und ich kann davon
halten was ich will.
Für mich ist Laufen in erster
Linie Spaß. Laufen ist Freude, kein Wettkampf gegen andere, allenfalls mal gegen
mich selbst,
wenn es dann doch nicht so läuft wie erhofft. Ich bin zudem alt genug, um auf
andere Läufer und auf meine Umwelt Rücksicht
nehmen zu können, ohne daß man mir dabei hilft.
Die letzten fünfeinhalb Stunden
hier auf der Strecke des Berliner Mauerweglaufes gehörten leider zu den schlimmsten in meinem
(Läufer-) Leben und das kann und werde ich nicht gut
finden.
Ungeachtet all dessen an
dieser Stelle ein herzliches Danke an alle Helfer, die diesen Lauf überhaupt
erst möglich gemacht
haben und die immer gute Laune und ein nettes Wort für uns Läufer auf den Lippen
hatten.
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Fortsetzung des Berichtes
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