Lauf über den Fimmvörđuháls
4. Von der Fimmvörđuskáli nach Skógar
26. August 2013

Der Fimmvörđuháls (zu deutsch: Rücken der fünf Steinmänner) ist ein Gebirgspaß zwischen den Vulkanen
Ejyafjallajökull im Westen und Mýrdalsjökull im Osten.

Der Ejyafjallajökull brach im April 2010 zuletzt aus. Die Asche legten den Flugverkehr in weiten Teilen Europas
lahm. Sie regnete auch über Hamburg herunter. Und zwar genau am 10. Jahrestag meines ersten Marathons am
16. April 2000. Den Jubiläumslauf (ein Trainingslauf auf den letzten 16 Kilometern der 2000er-Marathon-Strecke
durch Hamburg) machte ich also mit Grüßen von dem Vulkan, an dessen Fuße ich 1997 die Idee hatte, überhaupt
wieder einen Marathon zu probieren. Das nenne ich Kult.

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Fimmvörđuskáli

Daß es nun eigentlich eher bergab ging (oder gehen sollte) bekam ich nicht mit. Ich kämpfte gegen den Sturm, gegen Regen und Schnee, gegen erfrorene Finger und die Müdigkeit an. Und dann immer wieder Schneefelder.

Fimmvörđuháls

Und dann immer wieder diese Steigungen. Ich stolperte und rutschte und kannte nur eines: Immer weiter, weiter, weiter.

Fimmvörđuskáli

Immerhin war ich noch auf dem richtigen Weg. Das war nicht unwichtig, denn immer noch hangelte ich mich ohne echte Orientierung von einem Markierungsstab zum nächsten. Und oft genug mußte ich eben diesen nächsten erst einmal finden. Ich sah mit dem Wind und Regen auch nicht besser als meine Kamera.

Fimmvörđuskáli

Und dann kam auch noch dieser Scheiß. Eis unter Asche und Schnee und dazwischen floß das Wasser. Eine unendlich rutschige Angelegenheit. Trockene Füße hatte ich eh schon lange nicht mehr, aber das Eiswasser half auch nicht gerade, sich warm zu halten.

Fimmvörđuskáli

Und überhaupt warm halten. Es ging nicht bergauf, ich konnte nicht laufen und stand voll im kalten Wind. Nun kühlte ich allmählich aber richtig aus.

Fimmvörđuskáli

Eine Wüste aus Schnee an einem Hang bergauf. Ich wollte nur noch irgendwo liegen und aus.

Als ich 1997 am Kverkfjöll abstürzte sagte mir der Bergführer danach, daß man einen solchen Sturz eigentlich nicht überleben kann. Darum hatte er auch weder Funk oder Verbände dabei. Wozu auch?

Nun hatte ich gute Chancen nachzuholen, was ich 1997 offenbar verpaßt hatte. Im isländischen Hochland umzukommen.

Kverkfjöll-Bericht 1997

Baldvinsskáli

Wie aus dem Nichts tauchte die Hütte Baldvinsskáli auf. So mit dem weißen Dach war sie auch kaum zu sehen. Bis zuletzt dachte ich an eine Fata Morgana. Ab ins Warme? Nein. So warm konnte es gar nicht sein. Ich hatte weiterhin nur eine echte Chance: Ich mußte Weiterlaufen.

Baldvinsskáli

Ich fand nicht einmal mehr den weiteren Weg, obwohl es nun auf einer alten Piste für Jeeps recht komfortabel weiterging. Zum Glück kam an der Baldvinsskáli gerade jemand vom Klo, der mir helfen konnte.

Landnorđurstungur

Nun konnte ich laufen, laufen, laufen. Und ich lief, lief, lief.

Es zeigte sich wieder etwas, was mir oft aufgefallen ist: Beim Training und auch bei Marathons bin ich meist eher gemächlich unterwegs und genieße das Laufen und/oder die Musik oder ein Hörbuch. Aber wenn ich dann mal richtig Laufen will oder wie hier auch mal muß, dann kann ich es.

Skóga

Nach etwas mehr als vier Stunden erreichte ich den Fluß Skóga. Jeeps müssen hier (wie immer das gehen soll) durch den Fluß fahren. Für Wanderer (und Läufer) gibt es eine Brücke. Die allerdings durch eine echte Steinwüste erst einmal erreicht werden muß.

 

Skóga

Uhm... die war genauso eng und klein wie es hier den Anschein hat. Gerade bei dem Sturm galt: Augen zu und drüber.

Skóga

Nun war es eigentlich einfach. Die letzten acht Kilometer lief man immer an der Skóga entlang, bis man an den Skógafoss kommt.

Skóga

So einfach war es dann aber doch nicht. Da war immer noch der Wind und Regen von vorne, die Wege waren alle matschig und rutschig und konditionelle wurde ich auch nicht mehr jünger.

Skóga

Zudem ging es keinesfalls immer stetig sanft bergab wie einem so mancher Reiseführer erzählt. Auch hier ging es immer noch rauf und runter. So war es nichts mit stetigem Laufen.

Skóga

Entschädigt wurde man dafür durch immer wieder neue Wasserfälle.

Skóga

Und prächtige Blicke in tiefe Schluchten und Canyons.

Skóga

Rauf, runter, rutschen, Matsch... der Wind wurde zwar immer wärmer und die Finger wachten langsam wieder auf, die Strecke nervte aber gewaltig. Zumal mir immer noch kalt war und ich ganz schnell ins Warme wollte.

Skóga

Wie weit mochte es noch sein? Die verschiedenen Reiseführer gaben die Länge des Weges über den Fimmvörđuháls mit 21 bis 27 Kilometer an. Sehr hilfreich.

Skóga

Nach 4:45 Stunden sah ich dann erstmals die Küste. So weit mußte ich gar nicht. Skógar selbst lag ja einige Kilometer landeinwärts. Aber wie weit war es noch?  

Skóga

Es hörte nicht auf. Nach jeder Kuppe ergab sich der Blick auf die nächste Kuppe und immer so weiter.

Skóga

Und mit Laufen war es auf diesen "Wegen" auch sehr schwer. Das machte es nicht schneller.

Skóga

Durch den Regen waren die kleine Bäche auch etwas breiter geworden. Aber wenn man eh schon nasse Füße hat...

Skóga

Als nächste Überraschung kam dann noch einmal so richtig Regen runter.

Skóga

So ein Mist. Die Kamera war doch fast wieder trocken gewesen.

Skóga
Skóga

Und wieder war ein Hügel erklommen, ohne daß man das Ziel sehen konnte.

Skóga

Dafür ergab sich bald der Blick auf eine noch längere Strecke und noch einen weiteren Bogen um den Fluß herum.

Skóga
Skóga

Immer noch nicht der Skógafoss.

Skóga

Und dann mußte man ganz plötzlich auch noch richtig klettern. Naja, mit wieder aufgetauten Fingern ging auch das. Nach über fünf Stunden fehlte es mir aber an der Konzentration auf den richtigen und sicheren Schritt. Das war also nicht ganz ungefährlich.

Skóga
Skóga

Noch eine Steigung. Durch die vermehrt anwesenden Mitwanderer merkte ich aber jetzt, wie schnell ich immer noch unterwegs war. Ich überholte alles und jeden.

Skóga

Die überholte ich auch.

Skóga

Schöner Ausblick.

Skóga

Schlucht.

Skóga

Wasserfall.

Skóga

Die Strecke entlang der Skóga ist ohne Frage eine traumschöne Strecke. Man braucht allerdings besseres Wetter zum Genießen.

Skóga

Ich wollte nur noch nach Skógar. Und da vorne sah es doch gut aus. War die Gischt endlich die vom Skógafoss?

Skóga

Nein, war sie immer noch nicht.

Skóga

Aber immerhin war die Gischt von einer Reihe sehr schöner Wasserfälle.

Skóga
Skóga

Aber dann kam doch der Anblick, auf den ich so lange gewartet hatte: der Zaun mit der Treppe an der Fallkante des Skógafosses.

Fast schon albern, aber vor Freude tänzelte ich nun über die Strecke. Offenbar war ich auch nach 5:26 Stunden immer noch nicht so müde.

Skóga

Der Skógafoss. Endlich. Nun lief ich also die letzten Meter. So wie ich die letzten Stunden immer gelaufen war wann immer es möglich war.

Laufen. Das Wort würde ab diesem Tag nie mehr denselben Klang haben. Schon bis dahin hatte ich Laufen und Leben gerne gleichgesetzt. Nun wußte ich auch, warum.

Skógafoss

War gar nicht einfach, mit den müden Knochen über dieses Holzkonstrukt zu kommen. Aber auch das gelang mir.

Skógafoss

Auf 25 Metern Breite geht es hier 60 Meter in die Tiefe.

Skógar

Nun mußte ich nur noch die Treppen unfallfrei herunter kommen. Rechts war dann der Skógafoss und in dem Tumult weißer Flecken in der  Bildmitte stand mein Auto auf dem Campingplatz. Mit Heizung und trockenen Klamotten.

Skógafoss

Geschafft. In insgesamt 5:32:41 Stunden hatte ich die 29,68 Kilometer von Húsadalur bis hierher geschafft. Für die 1997er Strecke von Básar aus (24,06 Km, damals 6:59:24 Stunden) brauchte ich 2013 nur 4:26:28 Stunden. Trotz aller Probleme.

Mein durchschnittliches Tempo über die komplette Strecke: 5,4 Km/h. Alle Fotopause inklusive.

Anzahl Fotos: 672 ab Húsadalur.

Skógafoss

Und wo ich sowieso schon mal naß war, konnte ich dem Skógafoss auch so richtig nahe kommen.

Skógafoss

Ja, ich lebte noch.

Skógar / Skógafoss

Ohne mein läuferisches Können und meinen Dick-kopf wäre ich niemals auf die Idee gekommen, über den Fimmvörđuháls zu laufen und hätte dies auch sicher niemals gemacht.

Und ohne eben dieses läuferisches Können und eben diesen Dickkopf wäre ich wohl kaum so relativ unversehrt von dort oben wieder herunter gekommen.

Außer Schürfwunden an Händen, Füßen und Beinen hatte ich nichts weiter mitgebracht. So ein Glück.

Ich lebe, um zu laufen.
Ich laufe, um zu leben.

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