Ein Viertel der Zeit war schon vorbei. Oder erst?

Immerhin konnte man jetzt ja mal rechnen.

Knapp 51 Kilometer in sechs Stunden wären 204 Kilometer in 24 Stunden. Okay... das war unrealistisch.

Aber bei 12 Minuten je Runde sind es 5 Runden je Stunden, also in noch 18 Stunden 90 Runden plus die 42 erledigten machte 132 Runden, gleich 159,06 Kilometer. Das würde für einen Pokal reichen sollen. Tat es jedenfalls in all den Vorjahren.

Ab kurz nach 18.00 Uhr gab es Abendessen.

Ich hatte schon Pasta vor und nach einem Lauf gegessen, aber während dessen kannte ich nur von Delmenhorst.

Ab Runde 46 fing ich wieder zu laufen an. Teilweise zumindest. Erste Laufversuche in den Runden 43 bis 45 hatte ich immer wegen schmerzender Knie abbrechen müssen. Nun klappte es besser.

So kam ich zu ein paar Runden mit unter zehn Minuten.

Es wurde nun langsam aber spürbar kühler.

Es war nie zu heiß gewesen, aber kühler war trotzdem gut.

Die Runde 50 war erledigt. 7:28:48 Stunden war ich schon unterwegs.

Die vergangenen zehn Runden dauerten 1:54:44 Stunden. Das waren 11:28,4 Min/Runde.

Platz 7 in meiner Alternsklasse mit zwei Runden Vorsprung zu Platz 8. Mein Rückstand zu Helmut auf Platz 4 betrug zehn Runden. Uhm... das war viel.

Mein Rückstand zu Helmut auf Platz 4 betrug zehn Runden. Uhm... das war viel.

Nach 8:00:27 Stunden hatte ich 53 Runden geschafft. Ich lief nun etwas über 11 Minuten je Runden. Ginge man von zwölf Minuten aus, dann wären es noch 16 Stunden mal 5 Runden plus die aktuell 53 Runden. Machte 133 Runden oder 160,265 Kilometer.

Das war knapp unter der 100-Meilen-Marke (gleich 160,934 Kilometer). Und nicht weit weg von meinen 161,7 Kilometern beim Mauerweglauf 2017.

Aber das war noch weit weit weg.

Mit zwischendurch Laufen war es nun wieder vorbei. Aber ich wanderte die Runden noch in 11:16 bis 11:40 Minuten.

Allmählich stellte sich aber die Frage. Wozu? Helmut hatte jetzt 13 Runden Vorsprung auf mich und lag immer noch nur auf Altersklassen-Platz 4. Für einen Pokal dürften somit 180 Kilometer (eher mehr) nötig sein. Im unwahrscheinlichen Idealfall käme ich auf maximal 165 Kilometer.

Und noch einmal die Frage: Wozu? Die Medaille und die Marathon-/Ultramarathon-Wertung hatte ich. Wo war der Unterschied, ob da nun 120 oder 140 oder 165 Kilometer auf der Urkunde standen? Und dafür sollte ich noch satte 15 (FÜNFZEHN) Stunden nonstop im Kreis herum laufen? Es war ja nicht so, daß mir das locker leicht fiel. Ich spürte meine Beine und Knie deutlich. Und leichter würde es nicht werden. Die nächsten 15 Stunden. 

9:18:48 Stunden waren schon seit dem Start vergangen. Die letzten zehn Runden hatten genau 1:50 Stunden gedauert. Also 11 Minuten pro Runde.

Aber mir reichte es jetzt. Es war Zeit für meinen Stuhl.

2018 war ich krank bei diesem Lauf dabei gewesen. Ich hatte Magen, Rücken, später auch Blasen. Aber es machte Spaß, ab und zu noch eine Runde zu drehen und am Ende schaffte ich es auf 85 Runden (102,456 Kilometer).

2019 ging es mir gut. Von den üblichen Schmerzen nach neun Stunden laufen und wandern abgesehen. Aber es machte keinen Spaß. Und es machte auch keinen Sinn. Ich lief nur noch für die Statistik.

Vielleicht ist ein 24-Stunden-Lauf einfach nicht die richtige Veranstaltung für mich. 

Gut 17 Minuten hatte ich auf dem Stuhl gesessen meine letzten beiden Brötchen vom Frühstück gegessen. Dann wanderte ich weiter.

Ich wanderte etwas langsamer als zuvor, nun knapp über 12 Minuten je Runde.

Allmählich wurden die Lichter eingeschaltet, die im Laufe des Tages aufgebaut wurden.

Auch wurde es jetzt spürbar leerer auf der Strecke. Nur die Staffeln drehten unermüdlich ihre Runden.

Nach nur drei Runden saß ich wieder auf meinem Stuhl. Ich hatte echt keine Lust mehr.

Direkt am Stuhl hatte ich eine Box mit diversen Getränken platziert. Coca-Cola und vor allem Iso. Letzteres fehlte am Verpflegungsstand, der sonst prächtig ausgestattet war.

Nun wurde es mir doch etwas kühl. Vor allem, wo ich mich so wenig bewegte.

Mit einem neuem Ober-Shirt und zwei zusätzlichen Unter-Shirts ging es weiter.

Diese Runde hatte ich darauf hin abgepaßt, daß ich zur Feuershow um 22.45 Uhr am Startplatz war.

2018 gab es noch ein großes Feuerwerk, aber Feuerwerk darf nicht mehr sein, weil es zu laut ist. Die armen Tieren.

Okay... wir laufen da mit ein paar hundert Leuten über 24 Stunden herum und haben ein Festplatz mit Live-Musik, aber ein paar Minuten Feuerwerk ist zu laut. 

Nun also eine Feuershow.

Es war nichts spektakuläres, dauerte nur so sechs Minuten.

Aber wenn ich ohne nicht mehr laufen wollte , dann konnte ich mir auch die Show angucken.

65 Runden waren geschafft. 1:45:46 Stunden hatten die letzten fünf Runden (6,025 Kilometer) gedauert.

Die Party an der Strecke. Eine Gruppe von Neun- bis Zwölf-Jährigen machte hier richtig tolle Stimmung. Und zwar zu Musik aus den 80er Jahren.

Vielleicht feiert die Jugend von heute ja wieder zur Spider Murphy Gang, wenn es erst einmal nach 23 Uhr ist.

Oh... die Eis-Diele hatte schon geschlossen. Ich hatte einen Rund-um-die-Uhr-Service erwartet. Da müßte ich auf den Bratwurstglöck'l ausweichen.

Fünf Runden war ich am Stück unterwegs gewesen. Immerhin. Dann entdeckte ich, daß es noch Nudel-Reste gab. Sogar war. Allerdings wurden die Nudeln ohne Soße sehr schnell kalt.

Nach knapp 12 Minuten Pause wanderte ich weiter.

Halbzeit. Gut 82,3 Kilometer in 12 Stunden. Okay. Was in den zweiten 12 Stunden machbar war? Gute Frage. 

Im Scheinwerferlicht sah die Strecke richtig toll aus. Die meisten Scheinwerfer waren auch so angebracht, daß sie nicht blendeten.

Am Anfang stand da mal eine 24 ganz vorne. Nun waren wir auf 11 runter.

Meine Rundenzeiten lagen nun bei 12 bis 14 Minuten. Die nächtlichen Fotos konnte man nicht beim Wandern machen. Die brauchten Stillstand und Ruhe.

Und die Staffeln rannten und rannten und rannten...

70 Runden. Platz 7 in meiner Altersklasse. Neun Runden Rückstand alleine auf Platz 6.

Wieder machte ich ein paar Minuten Pause auf dem Stuhl, ehe es weiter ging.

Um 0.38 Uhr endete wie es geplant war mein Hörbuch. Klasse Teil. "Das gefrorene Licht" (Yrsa Sigurdardottir). Sehr zu empfehlen.

18:25 Minuten für die Runde.

Wirklich dabei war ich nicht mehr. Zuletzt hing ich noch am Hörbuch. Aber die lange Live-Nacht (Bruce Springsteen, Håkan Hellström, Amy Mac Donald) bis 5.32 Uhr reizte mich plötzlich nicht mehr.

Und wieder saß ich auf dem Stuhl. Ich war müde, hatte keine Lust mehr und mir war etwas kalt.

Zwischen den vielen Kämpfern auf der Strecke fühlte ich mich komplett deplatziert. Einer der zwar könnte, aber nicht mehr wollte, weil er ja nicht mußte.

Ich überlegte sogar, nach Hause zu fahren. Aber das machte ich dann doch nicht.

18 Minuten Pause, dann ging ich weiter.

Immerhin etwas positives gab es zu vermeldet. 2018 hatte ich kaum Nacht-Bilder gemacht. Die erste Nachthälfte hatte es geregnet, in der zweiten hatte ich geschlafen.

Nun war ich ja noch mit auf der Strecke.

Ich hatte es wissen wollen. Ein 24-Stunden-Lauf und ich. Ohne Krankheit, ohne Verletzung. Nun kam ich an die Wahrheit. Auch wenn sie mir nicht gefiel.

Ich hatte viele Marathons und Ultramarathons bis ins Ziel durchgezogen, teils gegen jede Chance und Vernunft. Aber ich kam ins Ziel. So auch beim Mauerweglauf 2017. 161,7 Kilometer. Die letzten 27 Kilometer in qualvollen fünf Stunden. Aber ich hatte nie daran gedacht aufzugeben. Ich wollte ins Ziel. Ich wollte diese Medaille.

Aber hier mußte ich nicht mehr weiterlaufen. Ich hatte alles erreicht, was ich erreichen konnte. Kein weiterer Schritt war notwendig.

Hätte es für 150 Kilometer oder 100 Meilen eine zweite Medaille oder einen extra Pokal oder auch nur eines der Winke-Fähnchen gegeben, dann hätte es sich gelohnt, weiter zu laufen. Aber so?

Es war egal, ob ich noch laufen konnte. Ich mußte es nicht und so wollte ich auch nicht mehr.

Man konnte sagen, daß mir genau das, was mich all die Jahre immer wieder ins Ziel geprügelt hatte, hier um die Ohren flog. Meine geradezu wahnhafte Faszination für die Finisher-Medaille.

Nach Runde 72 setzte ich mich wieder auf meinen Stuhl. Und als es mir zu kühl wurde, legte ich mich ins Bett.

Nach Runde 72 setzte ich mich wieder auf meinen Stuhl. Und als es mir zu kühl wurde, legte ich mich ins Bett.

Ich zog mich nicht um, machte nicht einmal die Musik aus. Einfach nur hinlegen. Zu Bruce Springsteen dämmerte ich bald in einen unruhigen Schlaf.