Der Start mit Konfetti-Regen. Mein erster 24-Stunden-Lauf hatte begonnen.

Drache? Ich hatte ja durchaus befürchtet, im Lauf der Zeit eventuell Halluzinationen zu bekommen, aber doch nicht gleich in der ersten Minute.

Gelaufen wurde auf einer 1205 Meter langen Runde. Diese war bis auf ein kurzes Gefälle und einen kleinen Anstieg flach und durchgehend leicht zu laufen.

Ganz genau war die Runde 1205,37 Meter lang. Klingt geringfügig, würde später dennoch wichtig werden. 

Zuschauer gab es auch immer welche, aber es hielt sich in Grenzen. Dafür war in der Wechselzone der Staffeln immer gut Betrieb.

Nach 8:24 Minuten hatte ich meine erste Runde fertig. Gut 100 Meter zuvor wurde ich erstmals von einer Staffel überrundet. Schon während der ersten Runde.

Eine der mich im Vorfelde am meisten quälenden Frage war, wie man so einen 24-Stunden-Lauf am geschicktesten läuft. Mit Schlafen oder nicht? Mit welchem Kilometerziel? Oder keinem?

An Zeitläufen hatte ich zuvor einen Stundenlauf gemacht und den Sunrise-Sunset-Ultra mit 7:30 Stunden Laufzeit. Mir fehlte es komplett an eigener Erfahrung.

Nach langem Grübeln und an die 100 unterschiedlicher und sich meist widersprechender Ratschläge einigte ich mich auf eine ganz einfaches Konzept:

Langsam loslaufen, langsam weiterlaufen und dann schauen wie lange es geht.

Auf ein Kilometerziel wollte ich mich nicht festlegen. 2017 war ich beim Mauerlauf in Berlin 161,7 Kilometer in 22:55:55 Stunden gelaufen. Die letzten 26 Kilometer mit quälender Blase unterm Fuß. Das würde ich mir hier nicht antun.

Während ich in Berlin ja ins Ziel kommen mußte, um die Medaille zu bekommen, hatte ich sie hier schon nach einer Runde sicher.

Tatsächlich bekam sie später jeder, der den Zeit-Chip wieder abgab.

Also 100 Kilometer? 130? 150 vielleicht? Irgendwo da gab es in den Vorjahren schon Pokale für die Altersklasse-TOP'3. Man konnte ja mal träumen.

Die erste Stunde war herum. Ich war meist um die acht Minuten je Runde gelaufen. Das entsprach grob 6:40 Min/ Km. Etwas schneller als zu Beginn des Mauerlauf, aber langsamer als einigen Ultras zuletzt.

Nach zehn Runden lag ich auf Platz 17 meiner Altersklasse. So ein Pokal schien dann doch schwieriger erreichbar als gedacht. Aber es war ja noch viel Zeit, das Feld von hinten aufzurollen.

Die erwähnten 37 Zentimeter, die die Runde länger als 1205 Meter war, wurde von der Elektronik hier noch nicht erfaßt.

Meine Rundenzeiten blieben um die acht Minuten. So weit alles gut.

Aber ich kam nicht ins Rennen rein. Anstatt mich wie sonst auf das Hörbuch zu konzentrieren, hatte ich ständig anderes im Kopf.

Für den Anfang lief ich mit "Die Kinder von Troja" von Wolfgang Hohlbein.

Das lag aber auch daran, daß bei Start und Ziel unentwegt entweder Musik lief oder das Rennen moderiert wurde. An den Lautsprechern lief man je Runde sogar zweimal vorbei. Auf einem Sechstel der Runde konnte ich mein Hörbuch nicht oder nur schlecht hören. So konnte ich auch nicht zur Ruhe kommen.

Dazu kam, daß mir der Magen weiter Ärger machte. Anders als bei vielen anderen Läufen wurde es nach ein paar Dixi-Klo-Besuchen und ein paar Kilometern Laufen nicht besser.

Nach etwas mehr als nur zwei Stunden kämpfte ich schon mit ernsten Problemen. So war das nicht gedacht.

Es war auch nicht hilfreich, daß es mit 26°C nicht nur ziemlich warm, sondern auch noch recht schwül war. Ich trank in jeder zweiten Runde einen Becher.

Und wie anfangs gesehen gab es eine reichliche Auswahl an Getränken, aber alles sehr säurehaltig. Es fehlte Iso. Das war wenig magenfreundlich. Da hatte ich meine mitgebrachten Getränke schnell dezimiert.

Anfang der Runde 20 machte ich noch einen Abstecher zum Dixi. Das half aber auch nicht. Dieses Mal war der Magen wohl wirklich kaputt.  

Auf der Strecke war es nun noch voller. Um 14.30 Uhr waren 36 weitere Staffeln gestartet. 28 Schüler-Teams und 8 Lebenshilfe-Teams.

Als wenn es (bei allem Respekt für die Staffel-Läufer) nicht schon nervig genug war, daß die ganze Zeit Läufer mit der doppelten Geschwindigkeit an mir vorbei zogen. Mal links, mal rechts, mal zu Dritt.

Immer fair und mit Abstand, aber da kamen jede Runde viele Überrundungen bei raus.

Runde 22 (26,517 Km)
15.03 Uhr

Drei Stunden geschafft. Ein Achtel. Zwischendurch war ich bis auf Platz 9 der AK M45 geklettert.

Meine Rundenzeiten lagen immer noch um acht Minuten herum, aber mit der Kraft ging es zu Ende.

Mit der Kraft, dem Magen, der Motivation...

Mit Beginn der Runde 26 fing ich das Wandern an. Das war echt frustrierend. Da hofft man auf einen schönen 24-Stunden-Lauf und ich bei 3:30 Stunden schon im Eimer.

Und nun war ich beim wohl entscheidenden Problem eines 24-Stunden-Laufes: es fehlt an der Motivation. 

Man kann laufen, muß aber nicht. Ich kann mich bis über die Schmerzgrenze quälen, wenn es ein Ziel zu erreichen gibt. Aber wenn es kein Ziel gibt, warum dann quälen?

Das einzige für mich noch interessante Ziel war es, die Marathon-Distanz zusammen zu bekommen, um meinen 251. Marathon-Punkt zu kriegen.

Aber es ist nun keine große Kunst, in 24 Stunden einen Marathon zu schaffen.

Für mich jedenfalls nicht. Auch mit Magenschmerzen und bei schwüler Hitze nicht.

36 Runden mußte ich schaffen für den Marathon. Also gleich noch sieben.

Wobei ich für eine Wander-Runde so 10:30 bis 11:30 Minuten benötigte.

Dank Gabis Fotokünsten kam ich auch mal aufs Bild.

Angestachelt von Isabel kam ich für zwei Runden wieder ins Laufen zurück. Sie selbst hatte ihren Marathon zu der Zeit schon längst voll.

Nach der 32. Runde wurde dann wieder gewandert.

Ich hatte dieses Motivations-Problem durchaus im Vorfeld befürchtet, hatte kurzfristig noch das "Team Falko" aus der Taufe gehoben und via Facebook Unterstützer für meinen Lauf gesammelt.

Aber auch so kam ich aus dem Loch nicht raus. Im gleichen Maße, wie ich bei anderen Läufen körperliche Probleme ignoriere und einfach weiter laufe, sollte es hier eben nicht funktionieren.

Wegen neun Metern reichten 35 Runden nicht für einen Marathon. Ärgerlich. Deshalb mußte ich noch eine ganze Runden zusätzlich laufen.

Wobei laufen... Runde 34 war ich noch wieder gelaufen, die Runden 35 und 36 wurden gewandert.

Die letzten Meter der Runde 36 lief ich aber wieder.

5:18:38 Stunden hatte ich für den Marathon benötigt.

Mein 251. Marathon war eine ganz schwere Nummer. Zwei Wochen vorher in Sundsvall hatte ich abgebrochen und hier im zweiten Anlauf hatte ich mich mächtig durchquälen müssen.

Und hier die Bestätigung. 36 Runden. Das wäre geschafft.

Und trotz des vielen Wanderns immer noch Platz 9 in meiner Altersklasse. Erstaunlich.

Weiter ging es. Die Freude über den Marathon hielt nicht lange an. Mir ging es immer noch schlecht und noch ein Ziel hatte ich nicht vor Augen.

Sollte ich jetzt 18 1/2 Stunden wandern? Beim Mauerlauf wanderte ich fünf Stunden und das war schon Wahnsinn. Aber 18 1/2?? STUNDEN???

Nein danke. Ich setzte mich erst einmal hin. Der Magen schmerzte, der Rücken nun auch, die Beine irgendwie sowieso und Spaß machte das Ganze auch nur eingeschränkt.

Meinen 251. Marathon hatte ich zusammen. Der Rest wäre nun Bonus. Das war wohl die letzte Chance, der Sache hier etwas Positives abzugewinnen.