In den 1950er Jahren lebten hier über 2500 Menschen. Dann wurde Altenwerder zum Hafenerweiterungs-Gebiet erklärt und Haus für Haus abgerissen. Im Jahr 1998 verließen die letzten Bewohner ihr Ort.

Geblieben ist heute nur noch die St. Gertrud Kirche, in der heute noch regelmäßig Gottesdienste abgehalten werden.

Typisches Karfreitag-Wetter. Naß, kalt, trostlos. 8°C hatten wir und es regnete. Zwar nicht viel, aber dafür ohne Pause.

"Einsturzgefährdet" stand auf dem Schild. Man solle doch bitte den anderen Eingang nutzen. Das war vertrauenserweckend.

Bei dem Sauwetter machte schon das Umziehen keinen Spaß. Aber eigentlich war eh alles naß.

Von den 19 angemeldeten Läufern kamen 17 an den Start. Plus zwei Nachmelder machte wieder 19. Einige waren etwas spät, weswegen der Start sich um einige Minuten verspätete.

Foto: Christian

Drei, zwei, eins und schon ging es los.

Zunächst ein ungefähr 150 Meter langes Pendelstück neben der Kirche. Danach 27 Runden zu jeweils 1553,3 Meter.

Vorne schoß gleich eine ganze Gruppe Läufer weg.

Ich fing mal ganz vorsichtig an. Nach dem sehr schnellen Horizontweg-Marathon nur sechs Tage zuvor hatte ich ziemliche Probleme mit der Hüfte und war vier Tage gar nicht mehr gelaufen.

Foto: Christian

Die Runde war zunächst einfach. Auf dem alten Kirchdorfweg ging es nach Süden.

Dort ging es einen kleinen Deich hinauf. Das war ein wenig weich und matschig, aber man kam rauf.

Ein kurzes Stück auf dem Deich.

Dann wurde es schwierig. Vom Deich ging es dann eine echte Schlammrutsche runter. Das war schon recht gefährlich.

Der folgende Weg war dann gespickt mit Stolperfallen. Kleine Wurzeln, die über den Weg gewachsen waren und dann die großen Bäume.

Christian hatte am Start noch erzählt, er sei sehr sicher, daß die Hamburg Port Authority die Bäume gewiß beseitigt hätte, aber das sah nicht danach aus.

Dem einen Baum folgten bald noch eine Reihe mehr. Die hier hatten noch eine Zusatzfalle. Wenn man zu weit nach rechts kam, lief man Gefahr, in den Bach zu rutschen.

Kein Wunder also, daß es da gleich mal eine Diskussion über die beste Strategie gab.

Die letzten 100 Meter waren dann wieder fester Boden.

10:41 Minuten für die erste Runde. Egal. Aber diese Hindernisstrecke machte mir massive Sorgen. Mit der kaputten Hüfte war das Rutschen und Turnen alles andere als gut. Ich wollte so lange wie möglich ohne Schmerzen über die Runden kommen, aber schon nach der ersten Runde tat die linke Seite wieder weh.

Auch im dritten Anlauf nahm ich die Matschrutsche ohne Sturz. Aber das würde nicht noch 24 Male gut gehen. Die Ecke wurde von Mal zu Mal gefährlicher.

Etwas irritiert nahm ich zur Kenntnis, daß da Läufer einfach weiter liefen (oben links) und damit den wilden Hindernisparcours komplett ausließen.

Nein, das würde nicht 27 Runden gut gehen. Schon jetzt bekam ich das linke Bein kaum noch hoch.

Nachdem einige Läufer gestürzt waren wurde in der vierten Runde wurde die Streckenführung geändert. Schluß mit Matschrutsche und Baumklettern.

Nun ging es statt auf der linken Seite des Baches auf der rechten Seite entlang. Das waren jetzt zwar ein paar Meter je Runde mehr, aber dafür konnte man hier völlig gefahrlos laufen.

Schon in der fünften Runde wurde ich überrundet. Ich war auch alles andere als schnell unterwegs.

Mit zehn Minuten pro Runde lief ich auf 4:30 Stunden Endzeit zu. Allerdings war ich eher langsamer.

Die Runden 4 und 6 lief ich unter 10 Minuten. Unter Berücksichtigung der Pinkelpause die Runde 5 quasi auch.

Aber schon ab Runde 7 wurde es dann langsamer. da war noch nicht einmal ein Viertel gelaufen.

Die nächste Überrundung. Naja... Hauptsache, ich lief noch mit.

11:03 Minuten für die Runde 9. Es wurde immer schwieriger, überhaupt noch am Laufen zu bleiben.

Man hatte mir prophezeit, daß es keine gute Idee sei, an Karfreitag laufen zu gehen, aber ich wollte ja nicht hören.

Ende der Runde 10 gab es dann Kuchen. Ich hatte nicht mitbekommen, warum, aber ich griff trotzdem zu.

Neue Probleme. Das Stück Kuchen lag mir schwer im Magen und meine Uhr hatte angehalten. 

Display war eingefroren, kein Knopf tat etwas. War wohl doch keine gute Idee gewesen, sechs Tage zuvor auf dem Horizontweg mit der Uhr in die Bande zu rennen.

Immerhin wurde der Magen allmählich wieder besser.

Irgendwann hatte ich die Uhr wieder am Laufen. Sie hatte wohl auch in der Phase des Stillstands im Hintergrund weiter Daten gespeichert, aber jetzt fehlten einige Minuten.

2:22:42 Stunden dann zum Halbmarathon. Nachdem ich meine Uhr mit der Uhr von Christine abgeglichen hatte, konnte ich mir rückwirkend meine Zeiten ausrechnen.

Pinkelpause 2. Machte eine Rundenzeit von nun 11:52 Minuten. Davor und danach waren es noch 10:25 und 10:17 Minuten. Aber 4:30 Stunden Endzeit waren in ganz weite Ferne gerückt. Das sah mehr nach 4:45 bis 4:50 Stunden aus.

Tja... einige waren immer noch fröhlich. Mir war das Lachen den Tag leider schon lange vergangen.

Aber ich war och dabei und hatte auch keinen Zweifel daran, irgendwann diesen Leidensmarsch zum Ende zu bringen. Diese Medaille würde ich mir greifen, egal wie lange es dauern sollte.

Wenn man es mal positiv formuliert, startete ich in Runde 17 den Kampf um eine Zeit unter der Fünf-Stunden-Marke.

Man könnte aber auch sagen, daß ich ab Runde 17 ohne Gehpausen nicht mehr weiter kam. Es war nicht mehr genug Kraft da, die kaputte Hüfte immer weiter auszugleichen.

11:03 bis 11:27 Minuten für normale Runden mit einem Mix aus Laufen und Gehen. Bei Getränkepausen waren es 30 bis 35 Sekunden mehr.

Und da die Sache offenbar immer noch nicht schwer genug war, frischte nun der Regen so richtig auf.

Zwei Drittel der Strecke war geschafft. Ich lag so bei 3:14 Stunden. Neun Runden in jeweils 11:40 Minuten oder so wäre knapp weniger als fünf Stunden insgesamt.

Der kleine Aufstieg zum Deich wurde von Runde zu Runde schmerzhafter. Es war nicht übermäßig steil, aber recht rutschig. Und jeder Rutscher nach unten ging auf die Hüfte. Und das tat weh.

Ich versuchte zwar, die Mitte zu umgehen, aber die Ränder waren nicht viel besser.

Kaum zu glauben, daß hier 40 Jahre zuvor noch ein ganzes Dorf stand. An den Rändern konnte man zum Teil noch Reste erkennen.

Mit zunehmendem Regen nahm die Fotoqualität ab.

Gute Nachricht. Es waren nur noch sieben Runden.

Foto: Christine

Mario gewann nach 3:44:41 Stunden. Sechs Tage zuvor hatte ich den Marathon auf dem Horizontweg noch in 3:45:52 Stunden gefinisht. Und jetzt hatte ich sechs Runden Rückstand.

Nun hatte der Regen über die Kameralinse gesiegt. Und wie es im strömenden Regen nun einmal so ist, hatte ich nichts trockenes mehr an mir, was das hätte ändern können.

Mit Laufen hatte es nicht mehr viel zu tun. Entweder ich wanderte umher oder lief humpelnd über den Kurs.

Ich war wohl eine Lauf-Karikatur meiner selbst. Muß grausam ausgesehen haben.

Immerhin. Ein fröhliches Gesicht für die Kamera bekam ich noch hin.

Foto: Rolf

Noch drei Runden. Es sah gut aus, daß ich zumindest unter fünf Stunden bleiben würde.

Die Runde 23 war noch glatt 11 Minuten. Es folgten 11:27 Minuten in Runde 24 und 12:11 Minuten in der Runde 25.

Noch langsamer sollte es dann aber nicht werden.

Nach zwei Runden. Das ist normalerweise ja so die Zeit, wo ich noch einmal Tempo zulegen kann.

Aber hier in Altenwerder ging gar nichts.

Noch zwei Finisher. Die Plätze 8 und 9. Ich hatte immer noch eine Runde.

Aber eben auch nur noch eine.

Keine Schlußoffensive, keine Laufen mehr. Es ging nichts mehr. Ich wollte nur noch irgendwie um diese Runde gehumpelt kommen.

Noch einmal auf den Deich rauf rutschen. Dann war auch das Martyrium für den Tag überstanden.

Noch eine halbe Runde...

Ich brauchte vier Minuten, um Susann und Christian zu überholen. Das war schon bezeichnend für meine Form den Tag.

Dann kam endlich die letzte Kurve. Links herum ging sowieso gar nichts mehr, aber was half es.

Es lief ab Beginn nicht gut und wurde dann nur noch schlechter. Aber am Ende hatte ich mich zumindest durchgekämpft.

Wie ich mir noch beim Horizontweg-Marathon auf das Rückenschild gemalt hatte: "Aufgeben ist keine Option".

Geschafft. 4:57:01 Stunden. Hätte mir das einer vorher gesagt, dann wäre ich wohl im Bett geblieben.

Aber egal. Ziel. Finish. Medaille. Alles gut.

Kurz nach mir kam dann Gabi ins Ziel.

Glückwunsch zu ihrem 50. Marathon.

So oft wie ich Gabi schon bei Marathons gesehen habe, hätte ich auf mehr getippt. Aber das wird sicher noch.

Meine Marathon-Medaille Nr. 176.

Trotz der Zeit landete ich bei 19 Finishern immerhin noch auf Platz 10. Also genau in der Mitte.

In meiner Altersklasse M45 war ich aber Fünfter und damit Letzter.

Eigentlich hätte ich mich gar nicht umziehen müssen. So viel trockener waren die Wechselklamotten nicht. Dabei hatte ich extra alles in dicke Mülltüten gepackt.

Damit hatte ich also den Marathon in Altenwerder auch gelaufen. Und ich war Karfreitag gelaufen. Und es wurde der Leidenslauf, den man mir von vielen Seiten vorausgesagt hatte.

Das Dorf Altenwerder ist zwar weg, aber ich komme bestimmt wieder. Vielleicht 2019 zur 10 Auflage. Ganz bestimmt aber, sobald der Termin nicht mehr auf den Karfreitag fällt.