8. Knastmarathon Darmstadt 2014
18
. Mai 2014

Es gibt viele verrückte Orte, um einen Marathon zu laufen. Ich habe diverse davon auch schon mitgemacht.
In Darmstadt erhält man durch einen Marathon zudem die Chance, mal an einen Ort zu kommen, an den
man normalerweise nicht kommt. Und an den man in der Regel auch gar nicht möchte: in ein Gefängnis.

Hierbei handelt es sich keineswegs um ein ehemaliges und inzwischen zum Museum umfunktioniertes
Gefängnis, sondern um ein richtiges Gefängnis mit richtigen Insassen. Und in so einem Gefängnis wird
seit 2007 jährlich ein Marathon ausgerichtet. Ein gemischter Lauf. Frauen und Männer ist klar. Aber
eben auch Insassen und Externe gemeinsam. 

Hauptbahnhof Darmstadt
7.09 Uhr

Los ging es Sonntag früh ab Darmstadt Innenstadt. Das Gefängnis liegt außerhalb des Stadtkern in Darmstadt-Eberstadt.

Hauptbahnhof Darmstadt
7.23 Uhr

Den richtigen Zug zu finden war nicht ganz einfach. Ich bin davon ausgegangen, daß ich den Zug um 7.30 Uhr nehme und gut. Aber auch wenn es nicht sehr viele Züge gibt, die ab Darmstadt fahren, um 7.30 Uhr sind es sonntags zwei.

Nach einigen Recherchen fand ich das richtige Gleis.

Darmstadt-Eberstadt
7.37 Uhr

Nach sieben Minuten Fahrt war ich in Eberstadt. Einen Bahnsteig gibt es hier nicht. Den halben Meter vom Zug nach unten muß man schon springen.

Und da sollte ich nach dem Marathon wieder hoch?

Darmstadt-Eberstadt
7.39 Uhr
Darmstadt-Eberstadt
7.40 Uhr

Nächste Aufgabe: Gefängnis finden. Das Mitnehmen von Handys in das Gefängnis ist nicht erlaubt. Wenn man also ohne Auto kommt, muß man ohne Handy kommen.

Früher hatte ich immer einen Stadtplan dabei. Inzwischen verlassen ich mich immer auf mein Navi im Handy. Und war hier verlassen.

Also Plan B: immer den Anderen hinterher. :-)

Justizvollzugsanstalt Darmstadt
7.49 Uhr

Nach ungefähr einem Kilometer war ich am Ziel.

Justizvollzugsanstalt Darmstadt
7.50 Uhr
Justizvollzugsanstalt Darmstadt
7.50 Uhr

Der Einlaß war geregelt. Mit der Anmeldung wurde auch die Einlaßzeit mit angemeldet. Und an die sollte man sich auch halten.

Justizvollzugsanstalt Darmstadt
7.52 Uhr

Ein wenig mulmig war mir schon zu Mute. Schlimmes zu befürchten hatte ich nicht. Wäre es wirklich gefährlich, dann würde man bestimmt nicht jedes Jahr wieder den Marathon laufen lassen.

Aber ich hatte noch nie ein Gefängnis von innen erlebt. Das war mal was neues.

Anders als Handys war das Mitnehmen von Fotoapparaten zwar erlaubt, aber benutzen durfte man sie innerhalb des
Gefängnisses nicht. Daher habe ich vom Lauf auch keinen eigenen Bilder gemacht.

Es gab aber zwei offizielle Fotografen, die Bilder gemacht haben. Diese wurden vom Veranstalter zum Download zur
Verfügung gestellt. Vom Gefängnis ist auf den Bilder natürlich kaum etwas zu sehen. Auch die zuschauenden und die
mitlaufenden Insassen sind auf den Bildern nicht mit drauf.

Beim Einlaß wird man erst seinen Ausweis los. Es folgt eine Personen- und Gepäck-kontrolle wie man es vom Flughafen kennt. Aber dann kommt noch der Drogen-Hund und schnuppert jeden und alles ab.

Eigentlich hatte ich vor dem Hund keine Angst, aber nach dem Hinweis, der würde nicht beißen, kam meine Hundephobie doch wieder hoch.

Ging aber alles gut.

Auf dem Weg durch die JAV mit Rene (hinten).
Um eine 1758 Meter lange Runde zu bekommen, wird so ziemlich jede asphaltierte oder gepflasterte Ecke mitgenommen. Und die meisten gleich zweimal.
Schon vor dem Start gab es lecker belegte Brötchen und Kuchen und natürlich jede Menge zu trinken. Und alles gratis. Naja... um eine kleine Spende wurde gebeten.
Bei Start und Ziel gab es die Startnummern.
Das funktionierte wie bei jeden anderen Marathon auch.
Ein recht gewagtes Outfit für einen Knastmarathon. Unter den externen Mitläufern war man vielfach der Meinung, daß dies eher peinlich und unpassend war. Bei den zuschauenden Insassen kam die Kostüme aber sehr gut an.
Die Klamotten wurde man hier in Kleiderbeuteln los. Mal etwas anderes. Die Beutel und Kleiderbügel hielten auch schwere Gepäckstücke locker aus.
Der Start war für 10.00 Uhr angesetzt. Einlaß war ab 7.30 Uhr. Es dauerte halt eine ganze Weile, bis alle Läufer durch die Kontrolle waren.

 

Zudem kamen auch Läufer aus anderen Gefängnissen zu diesem Marathon. Wie hier in Darmstadt wird auch dort ein mehrmonatiges Trainingsprogramm angeboten. Am Ende steht dabei der Marathon.
Der Knastmarathon ist auch außerhalb Deutschlands bekannt. Es kamen Läufer aus Italien, Portugal, den USA, Österreich und sogar acht Läufer aus Schweden.

174 Läufer insgesamt, davon 27 Frauen.

Pünktlich um 10.00 Uhr ging es dann los. 24 Runden zu je 1758 Metern.
Bis zu 21°C waren es. Die fühlten sich hinter den Mauern aber wärmer an, da diese den Wind recht gut abschirmten.
174 Läufer verteilten sich auf die 1758 Meter mit ziemlich genau einem Läufer je 10 Meter Es dauerte auch nicht lange, bis man diese Verteilung auf der gesamten Strecke hatte.
Hin und her ging es, ständig wurde überrundet und auf 90% der Strecke hatte man Gegenverkehr. Bei 24 Runden lernte man so jeden kennen.
Nicht überall war der Weg so breit wie hier, in der Regel paßten allenfalls drei Läufer nebeneinander. Dafür klappte das mit dem Überholen erstaunlich gut.
Ein besonderes Ziel hatte ich für den Lauf nicht. Die Medaille wollte ich, klar. Und unter vier Stunden wäre auch prima. Also unter zehn  Minuten pro Runde.
Und so ging es prima los: 9:13, 9:15, 9:03, 9:07, 9:48 (mit Pinkelpause), 9:15 Minuten. 55:41 Minuten beim Viertel.
Eine Trommelband gab es auch. Zusätzlich zur Musik bei Start und Ziel. Die Band dröhnte ziemlich in den Ohren. Aber das war immer noch erträglicher als der zwischenzeitliche Gesang von Helene Fischer's "Atemlos durch die Nacht".
Im zweiten Viertel lief ich etwas langsamer. Die Rundenzeiten waren 9:20, 9:24, 9:27, 9:31, 9:21 und 10:05 (zweiter Pinkelstop) Minuten.

1:52:49 Minuten dann beim Halbmarathon. Also 57:08 Minuten im zweiten Viertel.

Es gab beim Lauf weit mehr Zuschauer als die Bilder dies vermuten lassen. So 50 bis 60 Insassen schauten uns am Anfang und Ende des Laufes zu. Dazwischen war wohl Mittagessen. Bei nur zwei oder drei Aufpassern konnten die sich frei auf dem Gelände bewegen.
Kurz hinter Start und Ziel gab es noch eine Gruppe Zuschauer. Die waren aber hinter einem Zaun und konnten sich nur auf einem Hofgelände frei bewegen.

So ganz konnte man nicht vergessen, daß man hier in einem Gefängnis lief.

Am Verpflegungsstand kam man alle 1758 Meter vorbei. Pro Rund einmal. Logisch.

Zu trinken gab es Wasser, Schorle und Cola. Dazu Obst und Riegel. Da fehlte es (zumindest mir) an nichts. Ich bin allerdings auch kein großer Esser beim Lauf.

Der Verpflegungsstand wird auch von Insassen betreut. Organisatorisch ist da alles perfekt.
Die Runden 13 bis 18 lief ich dann in 9:19, 9:14, 9:17, 9:25, 9:13 und 9:17 Minuten.

Nach drei Vierteln lag ich bei 2:48:34 Stunden. 55:45 Minuten für das dritte Viertel. Nun ging es wieder etwas schneller. Vor allem lief ich schon gleichmäßig.

Keine Fotos machen zu dürfen war schon ungewohnt. Seit meinem vierten Marathon (Berlin 2003) schleppe ich immer einen Fotoapparat mit mir herum. Entsprechend reagiere ich auf lohnende Fotomotive reflexartig mit dem Zucken im rechten Arm.

Zum Ausgleich schleppte ich einen Schwamm in der Hand um den Kurs. Das hatte bei dem Wetter durchaus Vorteile.

Bei 1758 Metern auf einem Gefängniskurs gibt es jede Menge Kurven. Nicht alle waren so schön rund wie diese hier, die man weit außen auch in vollem Tempo nehmen kann.
Hier hinter der Werkhalle war es besonders stickig. Da lief man zwischen Halle und Außenmauer ganz ohne jeden Windzug.
Diese Kurve knapp hinter der Hälfte der Runde mochte ich gar nicht. Die linke Hüfte will seit dem Hundeunfall vom Vorjahr eh nicht mehr so gut. Also nahm ich diese Linkskurve immer sehr langsam.
Laufen entlang der Mauer. Im Stacheldraht ging noch ein Ball fest. Und auf dem Weg krabbelten hunderte Maikäfer um ihr Leben.
Sieht aus wie der Sieger, war es aber nicht.
Die TOP'3:

Matthias Stelzle
Nr. 192
2:55:52 Stunden

Christian Hofmann
Nr. 59
2:58:51 Stunden

Johannes Waldschmidt
Nr. 43
2:59:32 Stunden

Mit zunehmender Dauer des Laufes wurde der Wunsch nach Abkühlung immer größer. Schon zur Hälfte hatte man diese Dusche an die Strecke gestellt. Dazu gab es zwei Wannen mit Wasser.

Einziger Haken vielleicht: die beiden Wannen und die Dusche standen recht eng beieinander. Binnen 200 Metern hatte man die drei Punkte passiert.

Naja... wenn es mit dem Gegenverkehr nicht so arg war konnte man die erste Wanne auf dem Weg zurück noch einmal nutzen. Das klappte aber nur selten.
Ich packte mir während der letzten Runden immer den vollgesaugten Schwamm unter die Mütze. Das kühlte schön noch eine Weile nach.

Mir fehlte dann aber der Schwamm in der Hand. Und genau da sollte er ja den Fotoapparat ersetzen.

Probleme gibt es... :-)

Zum Ende des Marathons legte ich dann wie so oft an Tempo zu.

Runde 19 in 9:20, Runde 20 in 9:11 Minuten. Und dann knackte ich die 9-Minuten-Marke.

Runde 21: 8:48 Minuten
Runde 22: 8:56 Minuten
Runde 23: 8:38 Minuten

Am Ende war der Lauf einfacher als gedacht. Man kam immer gut durch, die Verpflegung war gut und die Wärme bekam ich auch gut in den Griff.
Als Hörbuch hatte ich auf dem Lauf bis Runde 19 Jussi Adler-Olsen "Erwartungen" dabei. So ein Krimi paßt ja zum Gefängnis. Den Rest hörte ich dann aktuelle Musik.
Das ist leider nicht mein Zieleinlauf. Den hat der Fotograf verschlafen. Dabei kam ich so schön schnell auf das Ziel zugeschossen.

Die letzte Runde war ich im Vollgas gerannt, um dann auf den letzten Metern noch einmal zusätzlich Tempo zu machen.

7:39 Minuten für die letzte Runde. Das waren 4:21 Min/Km im Schnitt.

3:41:07 Stunden insgesamt.

Das waren dann 1:48:18 Stunden für den zweiten Halbmarathon und 52:33 Minuten für das letzte Viertel. Prima Ergebnis.

Und auch wenn man sie hier nicht so gut erkennen kann eine schöne Marathon-Medaille Nr. 117.

Wieder draußen konnte ich dann wieder eigene Fotos machen.

Darmstadt-Eberstadt
14.42 Uhr

Nach sieben Stunden im Knast war ich wieder draußen.

Darmstadt-Eberstadt
14.44 Uhr

Raus ging es viel schneller als rein. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob es immer so schnell geht oder nur, weil ich zufällig mit der Band und ihren Trommeln zusammen den Ausgang ins Visier nahm.

Darmstadt-Eberstadt
14.45 Uhr

Ein letzter Blick zurück, dann ging es per Zug zum Hauptbahnhof.

Hauptbahnhof Darmstadt
15.42 Uhr

Zurück in der Darmstädter Innenstadt gab es erstmal lecker Futter bei Nordsee.

Es ist recht selten, daß ich nach einem Marathon noch Hunger habe.

Hauptbahnhof Darmstadt
15.52 Uhr

Dann war der Marathon-Tag auch geschafft. Bis zur Unterkunft waren es nur noch 200 Meter.

Eine schöne Veranstaltung. Und auch wenn die Hauptsache, also das Laufen, keine Unterschiede zu anderen Marathons
aufweist, ist es insgesamt doch eine besondere Veranstaltung. Einen zweiten Start in zwei oder vier Jahren will ich daher
nicht ausschließen.

Größtes Manko ist wohl die weite Anreise von Hamburg nach Darmstadt. Man kommt ja schneller aus dem Knast raus als
am Montag früh aus Frankfurt. Gesamtverspätung aller Züge am Freitag und Montag: 2:07 Stunden.

        
Vor dem Lauf, 07.51 Uhr   Nach dem Lauf, 14.44 Uhr

Infos zum Marathon gibt es hier:
http://www.sv-kiefer-darmstadt.de/


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